Brüssel EU öffnet sich Serbien und Montenegro

Brüssel · Brüssel gibt insgesamt sechs Ländern auf dem westlichen Balkan eine vorsichtige Beitrittsperspektive - teils schon ab 2025.

EU-Beitrittskandidaten: Brüssel öffnet sich Serbien und Montenegro
Foto: Dragan Obric

Die EU macht sechs weiteren Ländern auf dem westlichen Balkan seit gestern Beitrittshoffnung: Serbien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Kosovo - sowie Albanien. Als erste könnten Serbien und Montenegro schon 2025 aufgenommen werden, die Beitrittsgespräche sind bereits fortgeschritten. Der gestrige Beschluss der Kommission macht zugleich deutlich, dass sich die Länder enorm anstrengen müssen. Es bedürfe bei Serbien und Montenegro noch großen politischen Willens, der Umsetzung vieler Reformen sowie des definitiven Beilegens von Streitigkeiten mit Nachbarländern. Alle sechs Länder müssten ihre Anstrengungen verdoppeln.

EU-Beitrittskandidaten: Brüssel öffnet sich Serbien und Montenegro
Foto: Schnettler

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte im Herbst bereits gefordert, den sechs Ländern auf dem Balkan eine "glaubwürdige Beitrittsperspektive" zu geben. Im Mai werden die Staats- und Regierungschefs der EU bei einem Gipfel in Sofia über mögliche neue Beitrittsrunden beraten. Grundsätzlich ist die Bereitschaft verhalten, neue Mitglieder aufzunehmen. Rumänien und Bulgarien, so die verbreitete Einschätzung, seien zu früh in die EU aufgenommen worden.

Mit der Mitteilung stellt die Kommission Albanien und Mazedonien immerhin in Aussicht, dass die offiziellen Beitrittsverhandlungen beginnen können. Bosnien-Herzegowina könnte den Status "Beitrittskandidat" bekommen. Am wenigsten optimistisch ist die Kommission im Fall Kosovo. Das Land, das noch nicht von allen EU-Mitgliedsländern als selbstständiger Staat anerkannt ist, solle sich darauf konzentrieren, das Assoziierungsabkommen mit der EU umzusetzen.

Mit deutlichen Worten weist die Kommission auf die gravierenden Missstände in allen sechs Ländern hin: Es gebe "klare Hinweise", dass Kriminelle Teile des Staatswesens regelrecht gekapert hätten. Es gebe Verbindungen zur organisierten Kriminalität und "Korruption auf allen Ebenen von Regierung und Verwaltung". Strukturen der organisierten Kriminalität seien tief verwurzelt, sei es beim Menschenhandel oder beim Schmuggel von Drogen und Waffen. Außerdem würden private und staatliche Interessen auf grobe Weise miteinander vermischt. All diese Missstände im Bereich der Rechtsstaatlichkeit nährten den Eindruck von verbreiteter Straflosigkeit und Ungleichheit.

Die Volkswirtschaften seien allesamt noch nicht reif für die Aufnahme im Binnenmarkt. Die Länder seien wirtschaftlich nicht wettbewerbsfähig, es gebe zu viel politische Einflussnahme sowie einen unterentwickelten privaten Sektor. "Kein einziges Land des westlichen Balkans kann gegenwärtig als funktionierende Marktwirtschaft gelten", heißt es in dem Papier wörtlich. Das Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche analysiert: Auf mittlere Sicht könne es den sechs Ländern zwar durchaus gelingen, ein Durchschnittseinkommen zu erzielen, wie es etwa Bulgarien und Rumänien bei ihrem EU-Beitritt hatten. "Schwieriger, aber nicht unmöglich könnte es für die betroffenen Ländern werden, die notwendigen strukturellen Wirtschaftsreformen durchzuführen", lautet das Fazit des Wiener Wirtschaftsinstituts WIIW.

Eine weitere große Hürde für die Beitrittsrunde sind ungelöste Konflikte zwischen den Ländern. Es gibt zahlreiche Grenzstreitigkeiten auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien. Die Kommission hält fest: "Die EU wird nicht zulassen, dass die Auseinandersetzungen in die Gemeinschaft hereingetragen werden." Diese Streitigkeiten müssten endgültig beigelegt sein, bevor ein Beitritt infrage komme. Für Thomas Bickl, Forscher an der Universität Duisburg-Essen, sind die Konflikte ein zentrales Problem: "Das anvisierte Zieldatum 2025 ist nur weiße Salbe. Entscheidend ist, dass neben der Umsetzung von EU-Standards auch die vielen bilateralen Konflikte ausgeräumt werden." Es wäre ein Fehler, so der Politologe, wenn die Kommission einseitig auf internationale Schiedsverfahren setze. Zwischen den EU-Mitgliedsländern Slowenien und Kroatien kocht gerade ein ungelöster Grenzkonflikt hoch, weil sich Kroatien weigert, einen Schiedsspruch umzusetzen. Es habe sich gezeigt, dass solche Verfahren anfällig seien für Manipulationen. Besser wäre die Befassung des Internationalen Gerichtshofs, der ausschließlich mit neutralen Richtern besetzt ist. Bickl warnt: "Mit einem Festhalten an Schiedsverfahren liefe die EU Gefahr, reihenweise bilaterale Konflikte zu importieren, wenn die Schiedssprüche nicht umgesetzt werden."

(mgr)
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