Brüssel EU bekommt eigene Staatsanwaltschaft

Brüssel · Weil die Mitgliedsländer Betrug zulasten der Gemeinschaft zu lasch verfolgen, ist eine neue Anklagebehörde geplant.

Viviane Reding hat ein Gespür für schlagzeilenträchtige Themen. Die EU-Kommissarin kämpft für eine Frauenquote und besseren Datenschutz: Nun will sie den Missbrauch von EU-Steuergeldern verhindern. Eine neue europäische Staatsanwaltschaft soll künftig den Betrug mit EU-Mitteln aufspüren und verfolgen. Mindestens 500 Millionen Euro gehen Brüssel dadurch jährlich verloren – und das sind nur die bekannten Fälle. Ziel sei eine "Null-Toleranz-Politik" gegenüber Straftaten zulasten des EU-Budgets, unterstrich Reding in Brüssel.

Die europäische Staatsanwaltschaft soll nur Vergehen mit Auswirkung auf den Brüsseler Haushalt untersuchen – also etwa die Veruntreuung von Fördergeldern oder die Umgehung von Zöllen. Zwar gibt es schon mehrere europäische Behörden, die solchen Verbrechen nachgehen. Sie dürfen aber derzeit nur Vorermittlungen führen; für die eigentliche Strafverfolgung sind nationale Behörden und Gerichte zuständig. Doch dort versickern viele Ermittlungen.

Im Schnitt komme es gerade einmal in 42,3 Prozent der Fälle, die vor nationalen Gerichten landen, zu einer Verurteilung. "Das bedeutet, dass zu viele Kriminelle, die Geld von Steuerzahlern gestohlen haben, mit ihren Verbrechen durchkommen", beklagte Reding. Das soll nun anders werden.

Nach dem Vorschlag der Kommission soll der Europäische Staatsanwalt von Ministerrat und Europäischem Parlament auf acht Jahre gewählt werden. Er und seine Kollegen könnten Polizeimaßnahmen wie Durchsuchungen oder Abhörmaßnahmen anfordern und träten als Ankläger vor Gericht auf. Dabei würde aber jeweils nationales Recht gelten, so der für Betrugsbekämpfung zuständige Kommissar Algirdas Semeta. Die EU-Kommission schätzt, dass jährlich rund 2500 Fälle auf die neue Staatsanwaltschaft zukommen. Reding drückt aufs Tempo: Zum Jahresbeginn 2015 soll die Europäische Staatsanwaltschaft einsatzbereit sein.

(RP)
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