Warschau Brüssel droht Polen mit Staatsaufsicht

Warschau · Die Warschauer Mediengesetze rufen die EU auf den Plan. Die Regierung hegt allerdings noch weitreichendere Pläne.

Das sind die Mitglieder der EU-Kommission 2014 - 2019
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Das sind die Mitglieder der EU-Kommission

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Foto: afp, ed/RBZ

Die rabiate Art, mit der die polnische Regierung derzeit die öffentlich-rechtlichen Medien auf Linie bringt, führt nun zu ersten rechtlichen Konsequenzen aus Brüssel. Die EU-Kommission will am 13. Januar ein Verfahren einleiten, um mögliche Gefahren für die Rechtsstaatlichkeit in Polen zu untersuchen. Zunächst solle die Lage bewertet werden, sagte eine Behörden-Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur. Es sei noch zu früh, um über mögliche weitere Schritte unter dem sogenannten Rechtstaatlichkeitsmechanismus zu spekulieren. Dazu könnte eine förmliche Stellungnahme der EU-Behörde gehören. EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) hatte zuvor der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" gesagt, es spreche viel dafür, den Rechtsstaatsmechanismus zu aktivieren und Warschau unter Aufsicht zu stellen.

Bereits vor Weihnachten hatte die Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) das Verfassungsgericht entmachtet. Zum neuen Jahr folgte das sogenannte kleine Mediengesetz. Demnach kann das Schatzministerium wichtige Positionen der öffentlich-rechtlichen Medien, dazu gehört auch die Presseagentur PAP, neu besetzen. Die vier leitenden Direktoren des öffentlich-rechtlichen Fernsehens TVP kamen ihrer Kündigung bereits zuvor und nahmen zum Jahresanfang ihren Hut. Viele Nachrichtensprecher verabschiedeten sich ganz persönlich von ihren Zuschauern; ihre Namen standen auf der "Abschussliste" von PiS-Politikern.

Im Polskie Radio 1 wurde zum Protest an Neujahr jede Stunde die Nationalhymne gespielt; das beliebte Polskie Radio 3 sendete polnische Popsongs der frühen 80er Jahre mit politischen Anspielungen - damals befand sich das Land im Kriegszustand, da die Kommunisten die freie Gewerkschaft Solidarnosc in den Untergrund drängten.

Doch ob sich die Politiker der PiS, die sich selbst als die wahren Erben der Solidarnosc-Bewegung begreifen, von Liedern aus dem Radio oder Protestnoten aus Brüssel beeindrucken lassen, bleibt fraglich. Jaroslaw Kaczynski, der als Parteichef die Strippen zieht, gilt als sehr wenig kompromissbereit. Der rechtsorientierte polnische Journalistenverband SDP warf der bisherigen Berichterstattung "Pathologie", Einseitigkeit und einen Mangel an Pluralismus vor.

Zwar soll das "Große Mediengesetz", das bald vorgestellt wird, noch zuvor mit der EU-Kommission besprochen werden. Doch die Zielrichtung ist klar: "Die öffentlich-rechtlichen Medien haben der Regierung zu dienen", sagte die PiS-Abgeordnete Krystyna Pawlowicz in einem Interview mit dem nationalkatholischen "Radio Maryja".

(RP)
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