EU-Gipfeltreffen 2018 in Warna Europäisch-türkische Gesprächstherapie

Warna · Tiefe Gräben trennen die EU und die Türkei. Aber beide Seiten sind aufeinander angewiesen. Und so redet man eben miteinander.

 EU-Ratspräsident Donald Tusk (l) und der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan bei einer Pressekonferenz im bulgarischen Warna.

EU-Ratspräsident Donald Tusk (l) und der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan bei einer Pressekonferenz im bulgarischen Warna.

Foto: dpa, vp nwi

Zum Gipfeltreffen mit den EU-Spitzen im bulgarischen Warna am Montag reiste der türkische Staatschef Erdogan zwar mit großem Gefolge an, vier Minister begleiteten ihn. Aber bei dem Treffen, das bis spät in den Abend dauerte, erhoffte sich niemand große Fortschritte angesichts der tiefen Gräben zwischen der Türkei und der EU.

Wie zerrüttet die Beziehungen sind, zeigte das Kommuniqué des jüngsten EU-Gipfels. Zur Kontroverse um die Bodenschätze vor Zypern und die Grenzstreitigkeiten Ankaras mit Griechenland heißt es: "Der Europäische Rat verurteilt das anhaltende rechtswidrige Vorgehen der Türkei im östlichen Mittelmeer und in der Ägäis scharf." Ankara reagierte empört. Ein Sprecher sagte, die Erklärung enthalte "inakzeptable Äußerungen".

Seit dem Putschversuch vom Juli 2016 hat sich die Türkei immer weiter von der EU entfernt. Über 150.000 Menschen hat Erdogan aus dem Staatsdienst gefeuert, gegen 402.000 mutmaßliche Putschisten wird ermittelt, fast 65.000 angebliche Anhänger des Erdogan-Erzfeindes Fethullah Gülen sitzen in Haft. Unter dem seit 20 Monaten geltenden Ausnahmezustand sind wichtige Grundrechte eingeschränkt. Erdogan regiert das Land praktisch im Alleingang, ohne Kontrolle durch das Parlament oder die Justiz.

Die Probleme mehren sich

In jüngster Zeit sind neue Probleme hinzugekommen: Die türkische Militärintervention in Syrien verstößt nach Meinung vieler ausländischer Fachleute gegen das Völkerrecht. Als jetzt Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung Kritik an der Syrien-Operation übte, konterte der türkische Außenminister Mevlüt Çavusoglu mit dem Vorwurf, Merkel betrachte die Vorgänge "mit den Augen einer Terrororganisation". Im Februar verhängte Ankara mit Kriegsschiffen eine Seeblockade vor Zypern und hinderte so ein Bohrschiff daran, vor der Küste der EU-Inselrepublik nach Erdgas zu suchen.

Die Beitrittsverhandlungen mit der EU waren schon lange vor dem Putschversuch weitgehend eingefroren. Angesichts des fortschreitenden Demokratieabbaus in der Türkei hätte die EU sie eigentlich offiziell aussetzen müssen, denn die Türkei erfüllt nicht mehr die Kopenhagener Kriterien, an die alle Beitrittskandidaten gebunden sind.

Dennoch will man den Gesprächsfaden nicht abreißen lassen, obwohl Österreichs Kanzler Sebastian Kurz vor dem Gipfel erneut verlangte, die Verhandlungen über einen EU-Beitritt des Landes abzubrechen. Aber die EU will den vor zwei Jahren geschlossenen Flüchtlingspakt nicht aufs Spiel setzen.

Erdogan wiederum hat zwar mit den Werten der EU nichts am Hut. Aber der türkische Präsident hat erkannt, dass er die Brücken zum wichtigsten Handelspartner und Investor seines Landes nicht einfach abbrechen kann.

(RP)
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