Brüssel/Berlin EU hilft Türkei bei Versorgung von Flüchtlingen

Brüssel/Berlin · Die Verteilung von 120.000 Menschen aus Lagern außerhalb Europas bleibt auf dem Sondergipfel in Brüssel umstritten.

In der größten Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg ringt die EU um einen gemeinsamen Kurs und die Verteidigung der Reisefreiheit. Beim EU-Sondergipfel kündigte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban gesten Abend in Brüssel die Schließung der Grenze seines Landes zu Kroatien an. Der Kurs Ungarns und anderer Staaten sorgte für heftige Reaktionen: So erklärte Frankreichs Staatspräsident François Hollande, wer europäische Werte nicht teile, müsse sich fragen, ob er in der EU richtig aufgehoben sei. EU-Gipfelchef Donald Tusk warnte: "Die Zukunft von Schengen steht auf dem Spiel."

Damit sich weniger Bürgerkriegsflüchtlinge aus den Lagern rund um Syrien auf den Weg nach Europa machen, will die EU die Hilfe für die Region aufstocken. Bundeskanzlerin Angela Merkel kündigte mehr Unterstützung für die Türkei an: "Zwei Millionen Flüchtlinge dort sind eine große Herausforderung." Auch sie habe die dramatische Lage in den Nachbarstaaten Syriens unterschätzt. Laut EU-Kommission soll die Hilfe für Ankara auf eine Milliarde Euro aufgestockt werden. Eine zusätzliche Milliarde soll an das UN-Welternährungsprogramm und andere Organisationen fließen. Das geht aus dem Entwurf der Abschlusserklärung hervor.

In Brüssel zeigten sich Ungarn, Tschechien, die Slowakei und Rumänien empört darüber, dass sie bei der Verteilung von 120.000 Flüchtlingen in Europa am Vortag überstimmt worden waren. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker schloss Änderungen jedoch aus: "Der Beschluss steht." Die Slowakei will aber gegen den EU-Beschluss klagen. Die EU-Kommission kann ihrerseits rechtlich gegen Mitgliedstaaten vorgehen, die sich nicht an EU-Recht halten; solche Verfahren können vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) münden. Die EU-Kommission setzte unmittelbar vor dem Spitzentreffen ein Zeichen: Sie eröffnete gegen Deutschland und 18 weitere Staaten Verfahren wegen Verstößen gegen das gemeinsame Asylrecht. Deutschland wird gerügt wegen unzureichender Umsetzung der EU-Richtlinien zu Asylverfahren und zur Aufnahme von Asylbewerbern. Details nannte die Kommission nicht. Die jetzt gerügten Vorfälle stammen aber aus einer Zeit, als Deutschland noch eine andere Flüchtlingspolitik verfolgte und grundsätzlich auf die Zuständigkeit der Erstankunftsländer in der EU nach den sogenannten Dublin-Regeln pochte. Die jüngste Entscheidung, Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien nicht mehr in ein anderes EU-Land zurückzuschicken, ist nicht Teil der Verfahren, die Brüssel jetzt eingeleitet hat. Unterdessen wird die Forderung nach einem Integrationsgesetz immer lauter. CDU-Vize Julia Klöckner will sogar ein Integrationspflichtgesetz. "Frauen und Männer sind bei uns gleichberechtigt. Antisemitismus, Homophobie oder Weigerungen, von Lehrerinnen unterrichtet zu werden, lassen wir nicht gelten", sagt Klöckner. Für "klare Regeln" ist auch CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer: "Die Bereitschaft zur Integration nach den Regeln der deutschen Leitkultur ist die Grundvoraussetzung fürs Hierbleiben", sagte Scheuer unserer Redaktion.

(dpa/qua)
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