Alternative für Deutschland EU-Wahl: Demoskopen rechnen mit 25 Prozent für Populisten

Straßburg/Berlin · Bei einer Pressekonferenz zu ihrem Wahlprogramm hat die Euro-skeptische "Alternative für Deutschland" (AfD) massive Angriffe und Störungen im Europawahlkampf beklagt. Bundesweit seien bis zu 40 Prozent der AfD-Plakate beschädigt worden, sagte Parteisprecher Bernd Lucke. Veranstaltungen würden durch linke Demonstranten gestört, auch körperliche Attacken auf Wahlkämpfer seien vorgekommen. Den Sachschaden an den Plakaten schätzt er auf etwa 360 000 Euro.

Zehn Fakten und Hintergründe zur AfD
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Zehn Fakten zur AfD

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Foto: dpa, Bernd von Jutrczenka

Bei jedem seiner Auftritte ist Lucke bemüht, die Distanz zu populistischen Parteien zu betonen - auch um derlei Anfeindungen zu vermeiden. Glaubt man aktuellen Umfragen, ist der AfD mit derzeit etwa sechs Prozent der Einzug in das neue EU-Parlament sicher. In Straßburg angekommen, wolle man zwar mit Euro-kritischen Parteien reden, aber "eine Zusammenarbeit mit Rechtspopulisten habe ich immer wieder ausgeschlossen", so Lucke.

Das sind jedoch aus Sicht vieler etablierter Parteien in Deutschland nur leere Worte. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner etwa hatte die AfD als eine Neuausgabe der Republikaner eingeschätzt, weil sie alte Forderungen vom rechten Rand aufgreifen würden. Tatsächlich hatte ein Funktionär der Republikaner Bernd Lucke und seiner Partei viel Erfolg im Wahlkampf gewünscht.

Gestern musste Bernd Lucke sich von Teilen des eigenen Lagers distanzieren. Die "Junge Alternative", nach eigenen Angaben die Jugendorganisation der AfD, veröffentlicht im sozialen Netzwerk Facebook Schriftzüge wie "Selbstjustiz ist die neue Polizei". Lucke dazu: "Manche Äußerungen der ,Jungen Alternative' sind nicht gerade ein Ausfluss politischer Reife." Und überhaupt: Das sei nicht die offizielle Jugendorganisation der AfD.

Der Parteienforscher Carsten Koschmieder von der FU Berlin hält es unterdessen noch für offen, "ob die AfD es dauerhaft schafft, sich über ihren neoliberalen Konsens hinaus zu einigen, wie weit sie in der Gesellschaftspolitik nach rechts rückt". Ob sie sich etablieren kann, hänge auch davon ab, wie die FDP sich weiterentwickelt. "Für beide ist kein Platz im deutschen Parteiensystem", meint der Experte. Als offen rechtspopulistische Partei hätte die AfD aus seiner Sicht in Deutschland aber keine Zukunft.

Doch in vielen anderen Ländern Europas sind Populisten derzeit auf dem Vormarsch. Meinungsforscher sagen ihnen bis zu einem Viertel aller 751 Sitze in der neuen EU-Volksvertretung voraus. Während die EU-Lenker in Brüssel "mehr Europa" predigen, wählen ihre Bürger Parteien, die auf Nationalismus und Abschottung setzen.

Die Anti-EU-Kräfte dürften in Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden, Italien, Österreich, Finnland, Ungarn und Schweden zu den stärksten Gruppierungen gehören. Das Phänomen betrifft also nicht nur Krisenländer, die unter einer lahmenden Wirtschaft und Rekordarbeitslosigkeit leiden. Wobei die Misere im Süden den Aufstieg der radikalen Kräfte begünstigt.

Um aber am Ende eine Fraktion im Parlament bilden zu können, brauchen die Rechten 25 Sitze und Mitglieder aus sieben Ländern. Sollte ihnen das gelingen, erhielten sie mehr EU-Gelder und längere Redezeiten im Plenum. Aber vor allem könnten die Anti-EU-Kräfte zum Zünglein an der Waage werden, wenn im Parlament der neue Kommissionspräsident gewählt wird.

(RP)
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