Fernsehinterview Tsipras: "Dieses Europa gehört nicht Herrn Schäuble"

Athen · Jetzt gilt es für Alexis Tsipras: Er muss das den Geldgebern zugesagte Reformprogramm durch Athens Parlament bringen. Mit eindringlichen Mahnungen hat Tsipras für ein Ja des Parlaments geworben. Aus Deutschland gibt es Kritik. Tsipras vertrete das Programm nicht mit Überzeugung.

Alexis Tsipras - selbsternannter Retter Griechenlands
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Foto: dpa, sp ase tba

Es gebe einige, die sich über einen Sturz seiner Regierung freuen würden, sagte Tsipras am Dienstagabend in einem Interview des Staatsfernsehens ERT1. "Jeder muss jetzt seine Verantwortung übernehmen", sagte Tsipras. Er fügte hinzu: "Ich übernehme die Verantwortung für einen Text, an den ich nicht glaube, aber den ich unterzeichnet habe, um ein Desaster für das Land zu vermeiden, den Kollaps der Banken."

"Ich werde niemandem mit dem Messer am Hals drohen."

Alexis Tsipras erntet viel Kritik im EU-Parlament
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Vorgezogene Wahlen schloss Tsipras nicht aus. "Nach dem Ende dieses Verfahrens (der Billigung durch das Parlament) werde ich sehen, wie es weitergeht", sagte er. Er fügte hinzu: "Ich werde niemandem mit dem Messer am Hals drohen."

Einen Rücktritt lehnte er im Falle eines Neins aber ab. "Ein Ministerpräsident muss kämpfen, die Wahrheit sagen, Entscheidungen treffen und nicht weglaufen", sagte Tsipras. Er sei "ein Kapitän auf einem Schiff in Schwierigkeiten, und das Schlimmste, was man tun könnte, wäre es, das Schiff zu verlassen".

Die Positionen der Euroländer zu einem dritten Hilfspaket
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Das Parlament berät an diesem Mittwoch über ein erstes großes Spar- und Reformpaket. Die Billigung ist eine Bedingung für Verhandlungen der Gläubiger mit Griechenland über ein drittes Hilfspaket. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung dürfte gegen Mitternacht feststehen.

In Zeiten der Krise gebe es keinen Raum für "ideologische Reinheit", sagte Tsipras. "Vorrang hat für mich in dieser Stunde die Billigung des Sparprogramms, damit wir das Hilfsprogramm sichern können." Er schließe nicht aus, dass auch die Opposition dem Programm zustimme.

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Foto: Phil Ninh

Eine mögliche Regierungsumbildung schließt Tsipras nach dem Votum nicht aus. Er werde "alles tun", was in seiner Macht stehe, um "die Einheit der Partei zu garantieren", sagte der Syriza-Chef. Teile seiner eigenen Partei dürften bei der in der Nacht zu Donnerstag erwarteten Abstimmung mit Nein votieren.

Art und Weise der Druckausübung "ehrt nicht die Tradition Europas"

Tsipras kritisierte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der einen Plan für das Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro gehabt habe. Dies sei ihm aber nicht gelungen. "Dieses Europa gehört nicht Herrn Schäuble", erklärte er.

Die Nacht des Euro-Gipfels in Brüssel, wo die Vereinbarung ausgehandelt wurde, sei schlecht für Europa gewesen, sagte Tsipras. Die Vereinbarung sei auf Druck starker Staaten auf Griechenland zurückzuführen. Diese Art und Weise der Druckausübung "ehrt nicht die Tradition Europas".

Auf seinen früheren umstrittenen Finanzminister Giannis Varoufakis angesprochen lehnte Tsipras es ab, diesen für die schwierigen Beziehungen zur EU verantwortlich zu machen. Allerdings räumte er mit Blick auf den Wirtschaftswissenschaftler Varoufakis ein, "ein perfekter Ökonom bedeutet nicht, dass jemand auch ein Politiker ist".

Dennoch sei für Griechenland auch Positives herausgekommen. Noch in diesem Jahr werde es eine Diskussion über die Umstrukturierung des Schuldenberges sowie ein Investitionsprogramm von 35 Milliarden Euro geben. Diese Maßnahmen könnten "einen Grexit (Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro) endgültig abwenden und die Voraussetzungen für Wachstum" in Griechenland schaffen, sagte Tsipras.

Spahn (CDU): Tsipras' Äußerungen "wenig hilfreich"

Die Kritik des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras am Schuldenkompromiss der Eurozone erregt in Deutschland Missfallen. Finanzstaatssekretär Jens Spahn sagte am Mittwoch, Tsipras' Äußerungen seien wenig hilfreich.

Es stärke kaum das Vertrauen, wenn der Regierungschef zu verstehen gebe, dass er nicht an das glaube, was er nun tue, sagte der CDU-Politiker am Mittwoch in der ARD.

(dpa, AFP, AP)
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