Präsident Viktor Orban im Kanzleramt Angela Merkel trifft "ungarischen Napoleon"

Berlin · Am Donnerstag hat Bundeskanzlerin Angela Merkel im Kanzleramt den umstrittenen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban empfangen. Bei dem Treffen ging es unter anderem um die Lage der Eurozone und die innenpolitische Entwicklung Ungarns.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel schüttelt die Hand von Ungarns Regierungschef Viktor Orban.

Bundeskanzlerin Angela Merkel schüttelt die Hand von Ungarns Regierungschef Viktor Orban.

Foto: dpa, Wolfgang Kumm

Bereits kurz vor seinem Besuch hatte Orban erklärt, dass er derzeit für sein Land keinen Euro will. Es gebe keine Notwendigkeit mehr, die europäische Währung in Ungarn einzuführen, sagte Orban dem "Handelsblatt". Zum jetzigen Zeitpunkt wäre die Einführung des Euros für sein Land sogar "unverantwortlich". Die südeuropäischen Staaten hätten sich der Währungsunion eindeutig zu früh angeschlossen, sagte Orban. "Diesen Fehler machen wir nicht."

Die Bundesregierung appellierte hingegen erneut an Orban, die demokratischen Minderheitenrechte zu wahren. "Wer eine Zweidrittelmehrheit hat, muss immer wissen, dass mit einer Zweidrittelmehrheit auch eine große demokratische Verantwortung einhergeht gegenüber denjenigen, die in der Minderheit sind", wiederholte Regierungssprecher Steffen Seibert entsprechende frühere Forderungen. Wegen Eingriffen in die unabhängige Justiz und in den Datenschutz laufen zurzeit Vertragsverletzungsverfahren der EU.

Deutschland ein wichtiger Handelspartner

Deutschland ist für Ungarn einer der wichtigsten Handelspartner und steht für ein Viertel aller Ein- und Ausfuhren des Landes. Orban selbst ist jedoch höchst umstritten: Kritiker im In- und Ausland werfen ihm vor, mit verschiedenen Reformen die Demokratie Ungarns in Gefahr zu bringen.

Der rechts-konservative Ungar regiert seit 2010 mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament. Seine autoritären Ambitionen und seine investorenfeindliche Wirtschaftspolitik haben das Land in der EU zunehmend isoliert. Wegen Eingriffen in die unabhängige Justiz und in den Datenschutz laufen Vertragsverletzungsverfahren der EU.

Zum Jahresanfang ist in Ungarn die neue Verfassung in Kraft getreten. Das neue Grundgesetz löste die Verfassung von 1989 ab, die die demokratischen Grundrechte nach Jahrzehnten kommunistischer Diktatur verbrieft hatte. Auch in der neuen Verfassung werden die Grundrechte erklärt, doch die Kompetenzen des Verfassungsgerichts wurden stark beschnitten und die Unabhängigkeit der Justiz eingeschränkt. Kritiker sehen hierin eine Aushöhlung der Gewaltenteilung.

"Ernsthafte demokratische Krise in Ungarn"

Der grüne EU-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit sagte zu Beginn des Jahres: "Wir haben eine sehr ernsthafte demokratische Krise in Ungarn." Deren Auslöser ist für Cohn-Bendit Regierungschef Viktor Orban: "Ich glaube, dass er durchgeknallt ist, autoritär durchgeknallt. Er stilisiert sich zum ungarischen Napoleon und sieht sich als kleiner ungarischer Kaiser."

Auch Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn wählte drastische Worte: "Ungarn wird zum Schandfleck der EU." So etwas habe man "in entwickelten Ländern noch nicht erlebt", meinte Asselborn.

Die EU macht sich zudem Sorgen um die Pressefreiheit. Schon 2010 war ein neues Mediengesetz beschlossen worden, das einen staatlichen Zugriff auf Medien ermöglicht hatte.

Petition im Kanzleramt abgegeben

Zwei Medienpreisträger aus Ungarn hatten Merkel kürzlich aufgerufen, sich für den Erhalt der Pressefreiheit in Ungarn einzusetzen. Balázs Nagy Navarro und Aranka Szávuly wollen am Donnerstag eine entsprechende Petition im Kanzleramt übergeben.

Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Andreas Peschke, bescheinigte der Regierung Orban hingegen "erste Nachbesserungen und Umsteuerungen". Der Dialog dauere an.

Ungarns Außenminister Janos Martonyi verteidigte die Regierung seines Landes gegen Kritik. "Die Demokratie in Ungarn ist keinesfalls in Gefahr", sagte Martonyi. Entgegen der Vorwürfe aus dem Ausland habe etwa das 2011 in Kraft getretene Mediengesetz mit seinen Vorschriften und Strafmaßnahmen die Freiheit der Journalisten und Kommentatoren nicht eingeschränkt.

Kritiker der ungarischen Regierung wenden in der Debatte über die Pressefreiheit ein, die mit Orban-Getreuen besetzte Medienbehörde NHHM habe sich gerade wegen der massiven Kritik aus dem In- und Ausland Zurückhaltung auferlegt. Die öffentlich-rechtlichen Medien seien zu Propaganda-Instrumenten der Regierung umfunktioniert worden.

Martonyi sagte dagegen: "Die demokratischen Institutionen funktionieren. Das Verfassungsgericht greift immer wieder ein, wie etwa beim Mediengesetz, von dem es einige Teile außer Kraft gesetzt hat. Die Justiz ist bei uns unabhängig, die Presse ist frei."

(REU/dpa/afp/RP)
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