EU-Ratspräsident Tusk Erst Brexit, dann Neuanfang

Valetta/London · EU-Ratspräsident Donald Tusk schließt parallele Gespräche über einen Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union und zukünftige Beziehungen zu dem Land aus.

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Foto: rtr, YH/JKP

Dies "wird nicht passieren", erklärte Tusk am Freitag auf einer Pressekonferenz zu den EU-Leitlinien für die Brexitverhandlungen in Valletta auf Malta. Die EU werde das Vereinigte Königreich bei den Austrittsgesprächen nicht bestrafen. Der Brexit selbst sei Strafe genug, erklärte Tusk.

Er stellt sich damit gegen die Wünsche Großbritanniens, das am Mittwoch den Ausstieg aus der Gemeinschaft beantragt hatte. Premierministerin Theresa May fordert, Trennung und künftige Beziehungen zusammen zu vereinbaren. Bei dem scheinbar kleinteiligen Streit geht es darum, in den Verhandlungen Druckmittel in der Hand zu behalten.

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In Tusks Entwurf ist von einem "Phasen-Ansatz" die Rede. Ziel in der ersten Phase sei die "Entflechtung" Großbritanniens aus der EU und "größtmögliche Klarheit und Rechtssicherheit für Bürger, Unternehmen, Betroffene und internationale Partner bei den unmittelbaren Auswirkungen des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Union".

Es geht insbesondere um die rund 3,2 Millionen EU-Bürger in Großbritannien, vor allem ihre Aufenthalts- und Arbeitsrechte und Ansprüche an die Sozialversicherungen. Zweites Topthema ist die Schlussrechnung für Großbritannien für die milliardenschweren Verpflichtungen während der EU-Mitgliedschaft. Erst wenn die EU ausreichende Fortschritte bei diesen sehr schwierigen Themen feststellt, will sie in einer zweiten Phase über Grundlagen der künftigen Beziehungen sprechen.

Ähnlich äußerte sich am Freitag auch die Bundesregierung. Sie lehne parallele Verhandlungen mit Großbritannien über den Ausstieg des Landes aus der EU und die daran anschließenden Beziehungen weiter ab. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin, zunächst müssten die Beziehungen entflochten werden. Über die künftigen Beziehungen könne erst danach geredet werden. Entsprechend habe sich Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch bereits geäußert.

Indes forderten die Bundesländer eine aktive Beteiligung am Austrittsprozess. Der Bundesrat beschloss am Freitag einen entsprechende Entschließungsantrag an die Bundesregierung, die Länder bei den Brexit-Vrehandlungen "eng einzubeziehen und entsprechend der verfassungsrechtlichen Vorgaben angemessen zu beteiligen".

Der Brexit werde sich auf zahlreiche gesellschaftliche Bereiche auswirken, von denen Länderinteressen unmittelbar betroffen seien. Dazu gehörten insbesondere Bildung, Wissenschaft und Forschung, Finanzen, Wirtschaft oder Handel sowie Arbeitnehmerinteressen oder auch die Zusammenarbeit von Polizei und Justiz.

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Mehr als 30 Sachgebiete seien möglicherweise davon betroffen, wurde in der Aussprache deutlich. Die Bundesregierung wurde dafür kritisiert, dass es angeblich bereits Überlegungen zwischen den europäischen Hauptstädten gebe, in die die Bundesländer nicht einbezogen worden seien.

Unterdessen versuchte Großbritanniens Außenminister Boris Johnson Befürchtungen zu zerstreuen, dass Sicherheitsfragen in den Brexit-Verhandlungen zum Druckmittel werden könnten. "Ich möchte eines betonen", sagte Johnson in Brüssel. "Der Einsatz des Vereinigten Königreichs für die Verteidigung und die Sicherheit dieser Region, Europas, ist bedingungslos und keine Verhandlungsmasse bei irgendwelchen Verhandlungen." Die Sicherheit Europas diene der Stabilität und dem Wohlstand des gesamten transatlantischen Raumes.

Johnson reagierte damit auf Unruhe, die eine Passage aus dem am Mittwoch eingereichten EU-Austrittsantrag ausgelöst hat. Darin wiederholte Premierministerin Theresa May den mehrfach geäußerten Wunsch, binnen zwei Jahren zu einem dauerhaften Abkommen für die Beziehungen zwischen ihrem Land und der Europäischen Union zu kommen.

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"Es wäre ein kostspieliger Fehler, unsere Zusammenarbeit für den Wohlstand und den Schutz unserer Bürger zu schwächen", schrieb sie. Das war teilweise als Drohung verstanden werden, da die Europäische Union zuerst über die Bedingungen des EU-Austritts verhandeln will und später über die künftigen Beziehungen.

(maxk/ap/dpa/reu)
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