Zukunft der Staatengemeinschaft Brüderle hält Volksabstimmung über EU für möglich

Berlin · Angesichts der Schuldenkrise hält auch FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle ein Referendum über die politische Zukunft der EU für möglich. CSU-Chef Horst Seehofer forderte sogar, das Volk gleich in mehreren Fragen der Europapolitik entscheiden zu lassen.

Das ist Rainer Brüderle
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"Wir können an einen Punkt kommen, an dem eine Volksabstimmung über Europa notwendig wird", sagte Brüderle dem "Hamburger Abendblatt" (Freitagausgabe). Die weitere Entwicklung der Krise werde zeigen, wie stark die EU-Länder zur Aufgabe von Souveränität aufgefordert seien.

Gemeinsame Mechanismen

Nötig seien auf jeden Fall gemeinsame Mechanismen, etwa im Umgang mit den Banken. Brüderle verwies auch auf das für September erwartete Urteil des Bundesverfassungsgerichts über die Eilanträge gegen den Euro-Rettungsschirm ESM und den europäischen Fiskalpakt. Dann werde das Gericht erklären, "in welchen Punkten die Grenzen des Grundgesetzes erreicht werden".

Ähnlich hatte sich schon im Juni Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble geäußert. Er rechne damit, dass die Deutschen als Konsequenz aus der Krise eher früher als später über eine neue Verfassung abstimmen müssen.

Entwicklung Griechenlands

Kritisch äußerte sich Brüderle über die Entwicklung Griechenlands. "Wir sehen mit Sorge, wie stark Kapital aus dem Land ins Ausland gebracht wurde, insbesondere durch die griechische Oberschicht", sagte er.

Längst nicht alle Reformzusagen seien umgesetzt worden. Auch die wirtschaftliche Erholung stocke. Europa könne nicht unbegrenzt Solidarität zeigen, wenn die erwarteten Gegenleistungen nicht erbracht würden. Einen Euro-Austritt der Griechen nannte Brüderle politisch nicht wünschenswert, aber ökonomisch wahrscheinlich verkraftbar.

Seehofer

CSU-Chef Horst Seehofer forderte sogar, das Volk gleich in mehreren Fragen der Europapolitik entscheiden zu lassen. "Ich sehe drei Felder, auf denen das Volk befragt werden müsste", sagte der bayerische Ministerpräsident der "Welt am Sonntag".

Er nannte zum einen ebenfalls die Übertragung von wesentlichen Kompetenzen nach Brüssel, zum zweiten aber auch die Aufnahme weiterer Staaten in die EU sowie drittens die Entscheidung über finanzielle Hilfen aus Deutschland für andere EU-Staaten. Zu letzterem zählte er auch die Einrichtung von Eurobonds oder einem Schuldentilgungsfonds.

Seehofer setzte damit die Schwelle für Volksabstimmungen in Europafragen weit niedriger an als seine Politikerkollegen und begründete dies mit der nötigen Einbindung der Bevölkerung. Der CSU-Chef hatte bereits zu Beginn des Jahres gefordert, die Deutschen "bei einer bestimmten Größenordnung von Bürgschaften für Schuldenstaaten" direkt entscheiden zu lassen; damit hatte er auch innerhalb der CSU Kritik geerntet.

Seehofer machte zugleich deutlich, dass die CSU "keine Vereinigten Staaten von Europa" zulassen wolle. "Ohne Zustimmung der Bevölkerung wäre das ohnehin nicht möglich. Und die Bevölkerung will keinen europäischen Superstaat", sagte er der Zeitung.

Ende Juni

Bereits Ende Juni hatte Bundesfinanzminister Schäuble gesagt, er halte es angesichts der notwendigen weiteren politischen Integration der EU-Mitgliedsstaaten für möglich, dass schon in wenigen Jahren ein neues Grundgesetz zur Abstimmung stehen könnte. SPD-Chef Gabriel sagte zu Beginn dieser Woche, dass die nötigen weiteren Schritte zur Integration letztlich nicht möglich seien, "ohne dass wir das Volk dazu befragen".

(REU)
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