Digitaler Binnenmarkt Brüssel plant die Europäische Internet-Union

Brüssel · Die EU-Kommission will Europas Digitalwirtschaft mit einem neuen Konzept in Schwung bringen. Verbraucher und Unternehmen können sich freuen: Der Online-Handel soll einfacher werden, Videos in jedem Land verfügbar.

 EU-Kommissar Günther Oettinger will die europäische Kleinstaaterei im Internet beenden.

EU-Kommissar Günther Oettinger will die europäische Kleinstaaterei im Internet beenden.

Foto: dpa

Die EU-Kommission bläst zur Aufholjagd in der Internet-Wirtschaft. Dabei will sie insbesondere Online-Käufe auch über Grenzen hinweg erleichtern, Nutzerrechte im Internet stärken und digitale Geschäfte ankurbeln. Ein entsprechendes Strategiepapier zum "Digitalen Binnenmarkt" präsentierten der zuständige Vizepräsident der EU-Behörde Andrus Ansip und der EU-Kommissar für Digitalwirtschaft Günther Oettinger am Mittwoch in Brüssel. Insgesamt 16 Initiativen wollen sie bis Ende 2016 anstoßen.

Der Gedanke hinter den Plänen: Wenn die digitale Wirtschaft reibungslos über Grenzen hinweg funktioniert, kann sie besser wachsen und der internationalen Konkurrenz standhalten.

62 Prozent der Online-Händler klagen über hohe Lieferkosten

"Wir brauchen Veränderungen, um Arbeitsplätze und Wachstum zu sichern", betonte Ansip. Der Binnenmarkt funktioniere nicht wie er es sollte. "Ich will, dass die Menschen innerhalb des digitalen Binnenmarktes in der Lage sind, wie im Heimatland einzukaufen und die Unternehmen wie im Heimatland zu handeln."

Die Realität sieht anders aus: Nach Angaben der EU-Kommission klagen 62 Prozent der online tätigen Unternehmen über zu hohe Lieferkosten. Dies will die Kommission genauso ändern wie die Regelungen zum Geoblocking: Dabei werden bestimmte Internetinhalte, wie etwa Videos oder Musik, aus Lizenzgründen in anderen EU-Staaten nicht angeboten. Das Problem betreffe rund 100 Millionen EU-Bürger, sagte der für Digitales zuständige EU-Kommissionsvizepräsident Andrus Ansip. Die Kommission will Geoblocking daher unterbinden, sofern es ungerechtfertigt sei. Auch die Vorschriften für die Telekommunikationsbranche sollen geändert werden, um EU-Kriterien für die Zuteilung von Frequenzen auf nationaler Ebene und gleiche Ausgangsbedingungen für alle Marktteilnehmer zu schaffen. Anbietern wie der Deutschen Telekom setzen neue Kommunikationswege wie WhatsApp oder Skype zu.

16 Inititativen sollen bis Jahresende umgesetzt werden

Für EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ist die Schaffung eines digitalen Binnenmarktes und die Stärkung der Digitalwirtschaft eine der Prioritäten seiner Amtszeit. 16 Initiativen an sollen daher bereits bis Jahresende umgesetzt werden, damit Verbraucher und Firmen das Internet in Europa barrierefrei nutzen können. Diese Anstrengungen sind nötig, weil US-Unternehmen europäischen Konkurrenten in vielen Bereichen den Rang abgehängt haben. Günther Oettinger sprach daher von einer Aufholjagd: "Die USA haben eine Strategie in einem Markt, Südkorea, Indien, China, Japan sind parallel unterwegs."

Dabei verfolgt die EU-Kommission eine Doppelstrategie: Neben der Stärkung der heimischen Telekommunikationsbranche will sie auch Online-Plattformen ins Visier nehmen. Gemeint sind Suchmaschinen, soziale Netwerke oder App-Stores, bei denen Verbraucher online Anwendungen ("Apps") kaufen können.

Sind die Hürden für Verbraucher im Internet zu hoch?

Oettinger sagte, es gehe um Plattformen aus den USA, Asien, aber auch aus Europa. Zu den Fragen gehöre, welche Regeln Plattformen beachten müssten und ob sie auch für Inhalte verantwortlich seien. "Ob wir hier zu einer europäischen Regelung kommen wollen, muss die Untersuchung ergeben, die im kommenden Jahr abgeschlossen werden soll", sagte der Digitalkommissar. Er hob auch Aspekte wie "modernes digitales europäisches Urheberrecht" sowie eine "europäische Kultur der Datensicherheit" hervor.

Flankiert werden die Pläne für den Binnenmarkt von einer Wettbewerbsuntersuchung des Internet-Handels in allen 28 europäischen Mitgliedstaaten. In Mittelpunkt stünden dabei Hürden für die Verbraucher, teilte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager mit. Die Untersuchung richte sich nicht gegen einzelne Unternehmen, sondern betreffe die gesamte Branche.

Die Kommission will besonders auf Waren und Dienstleistungen achten, bei denen der elektronische Handel eine besonders wichtige Rolle spielt. Das sind Elektronik, Bekleidung, Schuhe oder digitale Inhalte. Falls sich bei der Untersuchung Beweise für Fehlverhalten von Unternehmen ergeben sollten, können die Wettbewerbshüter gezielt dagegen vorgehen, hieß es ergänzend. Bei förmlichen Verfahren drohen in letzter Konsequenz hohe Geldbußen.

(frin/dpa/rtr)
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