Abstimmung zum Sparpaket in Griechenland Demonstranten werfen Brandflaschen

Athen · Gewalttätige Ausschreitungen vor dem Parlament in Griechenland begleiten die Abstimmung um ein neues Sparpaket: Sollte es scheitern, droht dem Land die Pleite.

Ausschreitungen vor dem griechischen Parlament
13 Bilder

Ausschreitungen vor dem griechischen Parlament

13 Bilder

In der griechischen Hauptstadt Athen ist es am Mittwochabend am Rande einer friedlichen Demonstration von Zehntausenden Menschen gegen das Sparprogramm zu Ausschreitungen gekommen. Etwa 200 zum Teil vermummte Demonstranten schleuderten mehrere Brandflaschen auf die Polizei in der Nähe des Parlamentes.
Die Beamten setzten Blendgranaten und Tränengas ein, um die Randalierer auseinanderzutreiben.

Nach Augenzeugenberichten breitete sich auf dem Platz vor dem Parlament ein beißender Geruch aus. Viele Demonstranten flüchteten in Nebenstraßen, um sich vor dem Tränengas und den Brandflaschen zu schützen. Nach neuesten Angaben der Polizei versammelten sich bis zum frühen Abend rund 70 000 Menschen vor dem Parlament. Sie skandierten "Schafft es (das Sparprogramm) ab und haut ab", in die Richtung des Parlamentes.

Das Paket mit einem Volumen von 13,5 Milliarden Euro ist Voraussetzung für weitere Hilfen aus dem Ausland in Höhe von 31,5 Milliarden Euro für Athen. Bei einem Nein in der für den späten Abend erwarteten Abstimmung wäre Griechenland praktisch pleite.

Hitzige Debatten im Parlament

Im Parlamentsgebäude wurde die Debatte gleich nach Beginn turbulent. Die linke und ultrarechte Opposition warf der Regierungskoalition vor, ein verfassungswidriges Sparpaket billigen zu wollen. Ultrakonservative Abgeordnete hielten der Koalition aus Konservativen, Sozialisten und der Demokratischen Linken vor, "Befehlen aus Berlin zu gehorchen". Deren Vertreter wiederum argumentierten, ein Nein zum Sparprogramm würde den Verbleib Griechenlands im Euroland und sogar in der EU gefährden. Griechische Medien rechnen mit einem knappen Abstimmungsergebnis.

Aus Angst vor Ausschreitungen zog die Polizei starke Einheiten zusammen. Die Straßen rund um das Parlament wurden bereits am Nachmittag abgesperrt. Bereitschaftspolizei war überall rund um das Gebäude präsent, wie Augenzeugen berichteten. Die Gewerkschaften und die linken Parteien hatten die Bürger aufgerufen, während der Parlamentsdebatte sowie während der Abstimmung lautstark gegen das Sparprogramm zu demonstrieren.

Das öffentliche Leben kam erneut zum Erliegen. U-Bahnen und Straßenbahnen standen bis zum Nachmittag still, vom Hafen Piräus lief keine Fähre zu den Inseln aus. Die meisten Banken und Postämter blieben ebenso geschlossen wie Museen und antike Stätten. Auch Schulen blieben zu, Taxis fuhren nicht. Ärzte behandelten in Krankenhäusern nur Notfälle. Schon am Dienstag waren Hunderttausende dem Aufruf der Gewerkschaften gefolgt, in den Ausstand zu treten.

Inhalt des Sparpakets

Das neue Sparpaket ist Voraussetzung für weitere internationale Finanzhilfen. Es umfasst Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen, die Griechenland mit den internationalen Kreditgebern vereinbart hat. Besonders umstritten sind Kürzungen bei den Renten, Steuererhöhungen, eine Anhebung des Rentenalters um zwei Jahre auf 67 Jahre und eine Lockerung des Beamtenrechts.

Ohne die Zustimmung zu dem Sparpaket droht Griechenland der Verlust wichtiger internationaler Kredithilfen, ein Austritt aus der Eurozone und letztendlich die Staatspleite. Ministerpräsident Antonis Samaras erklärte, Griechenland werde ohne Hilfe am 16. November das Geld ausgehen. "Heute müssen wir Griechenlands neue Glaubwürdigkeit bestätigen", erklärte er. "Wir entscheiden darüber, ob wir in der Eurozone bleiben wollen oder zurückkehren zur Drachme. Das ist die Wahl."

Schwere Zerreißprobe für das Parlament

Für die griechische Regierung ist es der schwerste Test seit ihrer Amtsübernahme im Juni. Zwar wird erwartet, dass die Mehrheit zustande kommt. Allerdings könnten mögliche Abweichler in den Reihen der drei Koalitionsparteien das noch junge Regierungsbündnis erheblich schwächen. "Wir müssen für die Maßnahmen stimmen", erklärte der konservative Abgeordnete der Partei Neue Demokratie, Constantinos Tassoulas. "Das ist unsere Pflicht."

Oppositionsparteien warfen der Regierung dagegen vor, mit den geplanten Einschnitten die griechische Verfassung zu verletzen. Die mehrere hundert Seiten umfassende Vorlage sei außerdem zu komplex, um sie in nur einer Sitzung zu debattieren. "Das ist Erpressung", erklärte Zoi Constantopoulou von der Radikalen Linken.

Die Regierungskoalition verfügt über 176 der 300 Sitze im Parlament. Für eine Verabschiedung genügt eine einfache Mehrheit. Auch ohne die Stimmen der Demokratischen Linken kämen die Konservativen und Sozialisten auf 160 Stimmen.

Die Gewerkschaften protestierten mit einem 48-stündigen Generalstreik gegen die Sparmaßnahmen der Regierung. In der öffentlichen Verwaltung wurde nicht gearbeitet, in den Krankenhäusern wurden nur Notfälle behandelt, Schulen blieben geschlossen. Alle Fähren und auch die Zugverbindungen wurden bis einschließlich Donnerstag annulliert. In Athen gab es den Großteil des Tages keinen öffentlichen Nahverkehr. Die größte Gewerkschaft des Landes rief zudem für Sonntag zu einer Demonstration auf, dann soll über den Haushalt für das kommende Jahr abgestimmt werden.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort