Gastbeitrag von Hans-Olaf Henkel Der Irrglaube der Euromantiker

Düsseldorf · Der frühere Chef des Industrieverbands BDI, Hans-Olaf Henkel, hält die Europa-Politik der Kanzlerin für verfehlt. Die Umschuldung Griechenlands reiche nicht aus. In der Euro-Zone könne das Land nicht wieder auf die Beine kommen, sagt Henkel.

Was die Griechenland-Rettung für Anleger bedeutet
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Foto: dpa, Alkis Konstantinidis

In der letzten Bundestagsdebatte sprach Kanzlerin Merkel nicht von "Alternativlosigkeit". Anscheinend war ihr das Risiko, dass "alternativlos" zum zweiten Mal hintereinander zum Unwort des Jahres gewählt werden könnte, zu hoch.

Sie sagte stattdessen, dass ihr eine bessere Alternative nach Prüfung aller Möglichkeiten nicht vorliege. Ich wette, sie hat nicht eine prüfen lassen. Warum auch, ist doch der letzte "Eurorettungsgipfel" von den meisten unserer euromantischen Journalisten mehr bejubelt worden als seine 16 Vorgänger. Dabei wurde auch mit diesem "großartigen Erfolg" nur Zeit gekauft.

Die von der Bundesregierung monatelang völlig in Abrede gestellte Umschuldung Griechenlands widerspricht jeder Erfahrung, dass dadurch das Land saniert werden könnte.

Nicht nur stellt sich der 50-prozentige "haircut" der griechischen Schulden bei näherer Betrachtung in Wahrheit als ein eher 20-prozentiger "Haarschnitt" heraus, er bringt auch nichts. Die Verschuldung ist jetzt immer noch so hoch wie zu Beginn der griechischen Tragödie und nichts hindert die Griechen daran, wieder neue Schulden aufzunehmen.

Es gibt kein Durchgriffsrecht auf griechische Budgets. Es gibt keinen Automatismus von Sanktionen, den hatte ihr Sarkozy längst ausgeredet. Es gibt auch die von Frau Merkel im Bundestag geforderte "Firewall", also Brandmauer, nicht. Warum sollte es sie geben? Hatte Merkel nicht selbst die "No-Bail-Out-Klausel", also die Brandmauer zwischen deutschen Steuerzahlern und ausgabefreudigen Politikern anderer Länder, eingerissen?

Stattdessen müssen die Vertreter der "Troika", die "Aufpasser" des IWF, der EU und der EZB, jetzt nicht mehr nach Athen reisen, um nach dem Rechten zu sehen. Sie werden jetzt permanent in Athen residieren. Was für eine lächerliche Gegenleistung für das eingegangene Risiko einer Bürgschaft von 211 Milliarden Euro, ein Risiko, welches durch die "Hebelung" noch einmal vervielfacht wurde.

Schließlich liefert diese Umschuldung auch ein schlechtes Beispiel. Warum sollen portugiesische Politiker jetzt, und italienische Politiker später, nicht auch auf dieses Ventil zurückgreifen, wenn ihnen die Proteste auf der Straße zu laut werden und die Wähler weglaufen?

Was alle Euroretter unter den Tisch fallen ließen und meines Wissens nicht einer der in ihrer Verteidigung des Einheitseuros vereinten deutschen Wirtschaftsjournalisten angemerkt hat: es hat noch nie in der Geschichte der über 100 Umschuldungen - einschließlich der von Argentinien und Russland - auch nur einen Fall gegeben, in dem das betroffene Land ohne Abwertung wieder aus der Misere herausgekommen wäre.

Die ist in einer Einheitswährung aber nicht möglich. Folglich wird der Textilunternehmer in Athen, der Hotelier auf Rhodos, die Reederei in Piräus durch diese Umschuldung nicht einen Deut wettbewerbsfähiger. Griechenland muss bald wieder zum Friseur.

(csr)
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