Griechenland ächzt unter Sparauflagen Der Rückhalt für Athen schwindet

Berlin · Die Umsetzung der Reformen in Griechenland kommt nicht voran. Die internationalen Geldgeber sind ernüchtert und langsam schwindet der Rückhalt in der deutschen Politik. Auch bei Kanzlerin Merkel.

Juni 2012: Dazu hat sich Griechenland verpflichtet
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Juni 2012: Dazu hat sich Griechenland verpflichtet

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Seit einiger Zeit beginnt der Alltag von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit schlechten Nachrichten. Die Kanzlerin lässt sich morgens, direkt nach der Übersicht über die deutsche Medienlandschaft, den Pressespiegel aus Griechenland zusammenstellen. Darin liest Merkel meist nicht viel Nettes über ihre Europa-Politik. Als Frau in SS-Uniform wird sie in Zeitschriften dargestellt, als "Imperialistin" und "Diktatorin" beschimpft. "Deutschland ist es doch egal, dass hier drei Millionen Rentner sterben", kommentierte neulich ein Moderator des griechischen TV-Senders Extra 3.

Griechenland ächzt unter den Sparauflagen der Geldgeber. Und die Schuld dafür liegt nach Meinung der stolzen Hellenen bei der eisernen Kanzlerin. Doch nach Ansicht der Experten von Europäischer Zentralbank, EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds ("Troika") kommt das Land mit den Reformen längst nicht genug voran.

210 von mehr als 300 Sparvorgaben würden nicht ausreichend umgesetzt, sagte ein deutsches Regierungsmitglied unserer Zeitung mit Bezug auf den vorläufigen Bericht der "Troika". Ende Juli reisen die Kontrolleure erneut nach Athen, um die Bücher zu prüfen. Anschließend wird der Bericht an die Regierungszentralen der EU-Staaten versandt. Von dem Urteil der "Troika" hängt es ab, ob Griechenland Mitte August eine weitere Tranche in Höhe von rund zwölf Milliarden Euro aus dem Hilfspaket bekommt.

Doch die Zweifel wachsen, ob Athen mit der neuen Regierung des konservativen Ministerpräsidenten Antonis Samaras in der Lage ist, die im Februar dieses Jahres festgelegten Auflagen zu erfüllen. Nach Informationen unserer Zeitung hapert es bei wesentlichen Inhalten. So hat Griechenland die angekündigten Privatisierungen von Staatsunternehmen bislang nur zu einem Bruchteil umsetzen können. Bei der Bekämpfung der Steuerhinterziehung und dem Aufbau einer Einheit zur Korruptionsbekämpfung hinkt Athen hinterher.

Die Fusion von Steuerbehörden und die Umschichtung von Personal hin zu einer stärkeren Überprüfung von Steuerhinterziehern kommt nicht voran. Nach Angaben griechischer Forschungsinstitute entgehen dem Fiskus jährlich rund 13 Milliarden Euro durch Schwarzarbeit. "Rechnungen sind im griechischen Wirtschaftsalltag weiterhin eine Ausnahmeerscheinung", klagt ein mit den Vorgängen vertrauter Banker bei der Europäischen Zentralbank. Die Kürzungen der Ausgaben im aufgeblähten Gesundheitssektor reichen den Prüfern ebenfalls bei Weitem nicht aus. Nach Ansicht der EU gefährdet Athen durch Verwaltungswirrwarr die Auszahlung von 11,5 Milliarden Euro Fördergeldern.

Dafür hat Athen die Löhne der leitenden Angestellten im öffentlichen Dienst und den Mindestlohn erheblich gekürzt. Dadurch soll das Land nach Ansicht der "Troika" wieder günstiger Produkte und Dienstleistungen auf dem Weltmarkt anbieten können. Das soll der Wirtschaft auf die Beine helfen und die Steuereinnahmen steigen lassen. Bisher ist das nicht gelungen. Die Wirtschaft des Landes steckt in einer tiefen Rezession. Die Staatsverschuldung liegt mit 130 Prozent der Wirtschaftsleistung auf einem unerträglich hohen Niveau. Dass sich Griechenland, wie ursprünglich von der "Troika" anvisiert, 2014 wieder Geld an den Finanzmärkten leihen kann, gilt inzwischen als ausgeschlossen.

Samaras hatte noch im Wahlkampf in einem Brief an den Chef der Euro-Finanzminister, Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker, versprochen, die Bedingungen für die Finanzhilfen einzuhalten und das Land auf Vordermann zu bringen. Stattdessen verlangte seine Regierung gestern eine Streckung der Auflagen um mindestens zwei Jahre.

Die Enttäuschung in den EU-Regierungszentralen ist groß. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat intern versichert, dass sie dem Wunsch Athens nicht nachkommen werde und sich maximal einen Aufschub um einige Wochen vorstellen könne. Merkel will hart bleiben. Dabei dürfte eine Rolle spielen, dass der Druck aus CSU und FDP größer wird. Die bayerische Schwesterpartei fordert inzwischen offen den Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone. Anschließend könnte das Land durch die Abwertung der neuen Währung für Investoren und Touristen attraktiver werden und so Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinnen. Die Europäische Union müsste diesen Prozess mit einem umfassenden Wirtschaftsprogramm begleiten. Mittelfristig könnte ein saniertes Griechenland wieder Mitglied der Euro-Zone werden. Diese sogenannte Ballast-Theorie wird auch im Kanzleramt und im Finanzministerium diskutiert.

Auch die FDP schlägt sich zusehends auf die Seite der CSU. "Die Berichte aus Griechenland lassen einen wirklich an der Reformfähigkeit des Landes zweifeln", sagt FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle. "In den vergangenen Jahren ist vieles liegengeblieben, so dass man sich schon fragen kann, ob der nötige Reformwille noch vorhanden ist." Die Abgeordneten von Union und FDP spüren zudem großen Unmut in ihren Wahlkreisen. "Zwei Jahre Hilfspakete und kaum Verbesserungen. Das versteht doch keiner mehr", klagt ein Unionsabgeordneter. Ob die Regierung im Bundestag für ein weiteres Griechenland-Paket eine Mehrheit zustande bekäme, ist mehr als fraglich.

Merkel weiß all das. Griechenland könnte zum Lackmustest für die Euro-Rettung werden. Und für den Bestand der schwarz-gelben Koalition.

(RP/sap/rm)
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