Christoph Schmidt zu Griechenland "Die Geberländer haben schon viel getan"

Berlin · Der Chef der Wirtschaftsweisen, Christoph Schmidt, sieht jetzt vor allem Griechenland in der Pflicht, seine Reformzusagen endlich umzusetzen. Der Ball liege im Spielfeld der neuen Regierung von Syriza-Chef Alexis Tsipras, sagte der Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der wirtschaftlichen Entwicklung unserer Redaktion.

 Christoph Schmidt, Chef der Wirtschaftsweisen, sieht Griechenland bei Reformen am Zug.

Christoph Schmidt, Chef der Wirtschaftsweisen, sieht Griechenland bei Reformen am Zug.

Foto: dpa

Was muss jetzt in den Verhandlungen mit dem griechischen Wahlsieger passieren?

Schmidt Der sprichwörtliche Ball liegt doch jetzt im Spielfeld der neuen griechischen Regierung. Es gibt klare Absprachen der europäischen Partner mit Griechenland, welche Bedingungen Griechenland als Gegenleistung zu den solidarischen Hilfen, die das Land in großem Umfang erhalten hat, zu erfüllen hat. Diese Bedingungen waren Griechenland auferlegt worden, um den Weg in eine bessere griechische Zukunft zu ebnen. Genau jetzt, da sich beim Wachstum die ersten Früchte dieser Strategie zeigen, gibt es aus Sicht verantwortungsvoller Partner Griechenlands eigentlich keinen Anlass, daran etwas zu ändern. Es ist vielmehr bedauerlich, dass die griechischen Wähler gerade jetzt offenbar die Geduld mit dieser Strategie verloren und dafür gesorgt haben, dass alle Beobachter über den künftigen Kurs Griechenlands erneut verunsichert sind.

Wo könnte die EU nachgeben, wo darf sie das auf keinen Fall?

Schmidt Bei der Überwindung der Krise im Euro-Raum geht es um eine vielfach zu wiederholende Lösung von Verhandlungsproblemen ganz ähnlicher Art, es gibt nicht den einen Schuldenschnitt und die eine Strategie, die nur noch mechanistisch umgesetzt werden müssen. Vielmehr muss man beachten, dass das Ergebnis einer Verhandlungsrunde die Positionierungen der Verhandlungspartner in jeder nachfolgenden Verhandlungsrunde und jeder Verhandlung mit anderen Verhandlungspartnern beeinflusst. Wenn zugelassen wird, dass sich bestimmte Verhandlungspartner nicht an die getroffenen Abreden halten, dann kann man kaum davon ausgehen, dass sich andere Partner weiterhin der Vertragstreue verpflichtet sehen. Die Geberländer haben ohnehin schon viel getan, durch den Ansatz sehr niedriger Zinsen und die sehr lange Streckung von Zahlungsverpflichtungen. Daher ist die Zinsbelastung Griechenlands trotz des hohen Schuldenstands bereits sehr gering und der Spielraum für weitere Zugeständnisse somit begrenzt.

Welche Reformen müssen jetzt unbedingt wirksam umgesetzt werden?

Schmidt Bei den nötigen Strukturreformen ist doch ein sehr guter Katalog der notwendigen Einzelmaßnahmen durch die Dokumente der Troika gegeben. Wenn Griechenland wieder leistungsfähig werden will, dann muss es gelingen, das griechische Staatswesen zu reformieren und die Strukturen so umzugestalten, dass die griechischen Unternehmen produktiver werden und im internationalen Wettbewerb bestehen können.

Oder sollte es die EU auf einen "dirty exit" einfach ankommen lassen?

Schmidt Die Mitgliedstaaten des Euro-Raums haben nach wie vor großes Interesse daran, Griechenland auch künftig als Mitglied in ihren Reihen zu wissen. Ein Austritt Griechenlands wäre zweifellos teuer für alle Beteiligten, vor allem für Griechenland selbst. Es wäre zudem ein Rückschritt beim europäischen Integrationsprozess. Zwar können Ansteckungseffekte eines Austritts nicht ausgeschlossen werden, allerdings verfügt der Euro-Raum etwa mit dem ESM über Institutionen, um das daraus erwachsende Drohpotential deutlich zu mindern.

Die Fragen stellte Birgit Marschall.

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