Tag drei der Europawahl Die Iren strafen ihre Regierungsparteien ab

Dublin · Die irischen Wähler haben ihrer Regierung bei der Europawahl einen Denkzettel verpasst. Bei der Abstimmung am Freitag kam die konservative Fine-Gael-Partei von Premierminister Enda Kenny nur auf 22 Prozent der Stimmen, die mitregierenden Sozialdemokraten von Labour erzielten gar nur sechs Prozent.

 Das ist das Wahllokal in der Drumcondra National School im Norden Dublins.

Das ist das Wahllokal in der Drumcondra National School im Norden Dublins.

Foto: afp, mb

Das bedeutet Verluste im zweistelligen Bereich im Vergleich zu zurückliegenden Wahlen. Starke Zugewinne verbuchten bei einer Wahlbeteiligung von um die 50 Prozent vor allem unabhängige Kandidaten, aber auch die linksgerichtete Sinn-Fein-Partei des ehemaligen IRA-Mannes Gerry Adams legte zu.

Die Iren waren am späten Freitagabend nach den Niederlanden und Großbritannien die dritte der 28 EU-Nationen, die den Urnengang beendeten. Am Nachmittag schlossen auch in Tschechien, wo zwei Tage lang abgestimmt worden war, die Wahllokale. Prognose gab es dort keine, Ergebnisse gibt es wie überall in Europa erst am Sonntag. Bis zum Abend ging die Abstimmung in der Slowakei, in Lettland und Malta weiter, auch in den französischen Überseegebieten wurde gewählt.

Die übrigen 21 Länder, darunter die beiden größten EU-Staaten Deutschland und Frankreich, stimmen erst am Sonntag ab. Offizielle Ergebnisse dürfen EU-weit erst am Sonntagabend nach Schließung der letzten Wahllokale in Italien um 23.00 Uhr veröffentlicht werden.

400 Millionen Menschen dürfen wählen

Insgesamt sind 400 Millionen Menschen zur Wahl aufgerufen, darunter rund 64 Millionen in Deutschland. Mit Spannung wird bei der Wahl auch der Ausgang des Duells der aussichtsreichsten Spitzenkandidaten der Parteiblöcke, des Konservativen Jean-Claude Juncker und des Sozialdemokraten Martin Schulz, erwartet. Im Fokus steht zudem, wie stark rechte, populistische und euroskeptische Parteien abschneiden.

Insgesamt wird das neue Europaparlament in Straßburg 751 Abgeordnete haben. Derzeit sind es - nach dem Beitritt Kroatiens Anfang Juli 2013 als 28. EU-Mitglied - 766 Parlamentarier. Mit künftig 96 Abgeordneten bekommt Deutschland die meisten Mandate aller Mitgliedsländer, gefolgt von Frankreich (74).

In Deutschland machten am Samstag zum Wahlkampffinale die Parteivorsitzenden und Spitzenkandidaten noch einmal Werbung für ihre Parteien. Die Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel legte in Worms ein Bekenntnis zur friedlichen Lösung der Ukraine-Krise und anderer Konflikte ab. SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz rief in Frankfurt am Main die Bürger zur Teilnahme an der Wahl auf, um Rechtspopulisten keine Chance zu geben. Ähnlich äußerten sich in Berlin Grünen-Spitzenkandidatin Rebecca Harms und -Parteichef Cem Özdemir.

In den Niederlanden hatte am Donnerstag überraschend der Rechtspopulist und Europaskeptiker Geert Wilders eine deutliche Schlappe erlitten. Dort setzten sich die europafreundlichen Kräfte der linksliberalen D66 und der Konservativen durch.

In Großbritannien schien sich dagegen ein deutlicher Stimmenzuwachs für die rechtspopulistische Unabhängigkeitspartei UKIP abzuzeichnen, die einen Austritt aus der EU anstrebt. Die britische Gesetzgebung verbietet die Veröffentlichung von Wählerbefragungen bei Europawahlen bis zur Schließung der EU-weit letzten Wahllokale, so dass nur ein vager Trend aufgrund der Ergebnisse der gleichzeitig stattgefundenen Kommunalwahlen abzulesen war. Danach konnte neben UKIP die im Unterhaus oppositionelle Labour-Partei leichte Zugewinne erzielen.
Die regierenden Konservativen von Premierminister David Cameron und die Liberaldemokraten als kleinerer Koalitionspartner erlitten herbe Verluste.

In Irland kam einer Prognose des Fernsehsenders RTE zufolge die regierende Fine-Gael-Partei auf 22 Prozent der Stimmen, ebenso wie die oppositionelle Fianna Fail. Sinn Fein, einst politischer Arm der Untergrundorganisation IRA im Nordirland-Konflikt und später wesentlich an der Gestaltung des Friedensprozesses beteiligt, kam auf 17 Prozent. Der größte Stimmanteil entfällt aber der Prognose zufolge mit 27 Prozent auf unabhängige Kandidaten. Wegen des irischen Wahlsystems ist eine Aussage darüber, wie die elf irischen Sitze im Europaparlament verteilt werden, auf Grundlage der prognostizierten Stimmanteile nicht möglich.

(dpa)
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