Athen stellt Steuersünder an den Pranger Die "Liste der Schande" kennt kein Pardon

Die griechische Regierung hat ihre Drohung wahr gemacht. Am Sonntag veröffentlichte sie die "Liste der Schande" im Internet. So nennt Finanzminister Venizelos die Zusammenstellung der insgesamt 4152 Steuersünder. Auch vor Promis schreckt der Pranger nicht zurück. Sinn und Zweck des Prangers erscheinen allerdings zweifelhaft.

 Auf der Website http://www.gsis.gr/debtors/fp.html lässt sich die sogenannte Liste der Schande aufrufen.

Auf der Website http://www.gsis.gr/debtors/fp.html lässt sich die sogenannte Liste der Schande aufrufen.

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Athen stellt seine Steuersünder an den Pranger: Mehr als 4000 Namen mit knapp 15 Milliarden Euro Schulden stehen nun für jeden, der es wissen will, öffentlich abrufbar im Internet, schön säuberlich in einer Tabelle aufgelistet. In den Spalten sind die wesentlichen Daten systematisch erfasst: Name, Grundschuld, Zollschuld, zuständiges Finanzamt, Gesamteinkünfte, Schuldsumme.

 In Griechenland empört sich die Öffentlichkeit über die nun öffentlich gemachten Steuersünder.

In Griechenland empört sich die Öffentlichkeit über die nun öffentlich gemachten Steuersünder.

Foto: AFP, AFP

Die Liste der Sünder ist schön älteren Datums. Die Regierung hatte sie schon im November in der Schublade liegen, die Veröffentlichung aber zurückgehalten und lediglich damit gedroht. Das Kalkül: Die Betroffenen sollten eine letzte Chance erhalten, ihre Schuld freiwillig zu begleichen. Man kennt diese Logik aus Deutschland im Zusammenhang mit Steuerdaten auf dubiosen CDs. Doch die Drohungen blieben offensichtlich ohne den gewünschten Erfolg. In Absprache mit der Datenschutzbehörde entschied sich die Regierung nun für die Veröffentlichung.

Empörung in der Öffentlichkeit

4152 Namen sind nun darin aufgelistet. Die meisten Zeitungen druckten bereits am Montagmorgen Auszüge der "Liste der Schande", wie Finanzminister Evangelos Venizelos die 170 Seiten nennt. Knapp 15 Milliarden Euro schulden die Griechen dem Staat , die jetzt dem Volkszorn ein Ziel bieten. Umgerechnet sind das sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Empörung herrschte in Griechenland, denn auf der Liste stehen auch die Reichen und Schönen. Dazu zählen Sänger, bekannte Unternehmer, Sportstars. Auch sie tragen eine Mitschuld an der Wirtschaftsmisere des Landes. Viele von ihnen sollen ihre Betriebe bereits in die Pleite geritten haben oder sogar im Gefängnis sitzen.

Einer heißt nur noch der "Schuldenschreck"

Die Schulden von Schlagersänger Tolis Voskopoulos hatten sogar dazu geführt, dass dessen Frau vor wenigen Monaten als stellvertretende Tourismusministerin zurücktreten musste. Bezahlt hat der säumige Sänger trotzdem noch nicht. Auch der frühere Besitzer des Fußballclubs Paok Saloniki, Giorgos Batatoudis, und der ehemalige Basketballstar Michail Misunow stehen auf der Liste.

Trauriger Spitzenreiter ist aber ein Mann, der nur noch der "Schuldenschreck" genannt wird und den Staat um fast eine Milliarde Euro prellte. Als Steuerberater kannte Nikolaos Kasimatis vermutlich alle Tricks und Kniffe und schleuste exakt 952.087.781 Euro am griechischen Fiskus vorbei. Im Knast sitzt der kleingewachsene Mann schon - das Geld hat der Staat aber noch nicht kassiert, berichtete die griechische Presse.

Ein Pranger allein füllt nicht die Löcher in der Kasse

Und da wird das Problem deutlich: Denn die Liste stellt die Sünder zwar bloß - bringt aber noch keinen zusätzlichen Cent in die Staatskasse. "Was die Leute (aus dem Finanzministerium) uns nicht sagen, ist, wie sie zu dem Geld kommen werden", sagte Steuerberater Nikos Wrousis am Montag.

Andere Experten gehen davon aus, dass dar Staat "im besten Fall ein Fünftel dieser Schulden kassieren könnte". Denn in vielen Fällen gehören die Namen nur 80 bis 90 Jahre alten Strohmännern, hinter denen sich die wahren Sünder verbergen. Viele Schuldner seien ins Ausland verschwunden, sagen andere Steuerberater. Allein in der Schweiz sollen Griechen Geldeinlagen in Höhe von mehr als 200 Milliarden Euro haben.

Das Land ist derzeit dringen auf Einnahmen angewiesen. Spätestens im März braucht Athen frisches Geld, um seine Schulden finanzieren zu können. Parallel pokert die Regierung mit den Banken seit Wochen um einen Schuldenschnitt. Die Misere verschlimmert sich zusehends: Banken und Versicherungen sollen den Griechen 80 Prozent ihrer Schulden erlassen, berichtete unlängst der Spiegel. Der Online-Pranger dürfte unter diesen Umständen weniger zum Defizitausgleich beitragen als zur heilsamen Wirkung nach innen.

Zeitung setzt die Liste mit Müll gleich

Die Liste sei "Müll", meint das Boulevardblatt "Eleftheros Typos" deswegen. Das Finanzministerium werde kein Geld kassieren. Das sei weg und die Schuldner entweder im Gefängnis oder sie hätten sich längst auf und davon gemacht. Die Athener Zeitung "Ta Nea" kommentierte am Montag: "Nun wissen wir offiziell, wer sie sind.
Aber: Warum hat der Staat nicht früher reagiert? Und was wird die Strafe sein, für diejenigen, die weiter nicht zahlen wollen?"

Schon im September hatte das Finanzministerium eine Liste mit den Unternehmen veröffentlicht, die dem Staat insgesamt 30 Milliarden Euro schulden. Doch die Enttäuschung war groß: Die meisten Schuldner waren bereits pleite - oder die Unternehmen sogar in öffentlicher Hand. So schuldete selbst der Staat dem Staat Geld. Damals ganz oben auf der Liste: die griechischen staatlichen Eisenbahnen (OSE), die beim Fiskus mit gut 1,26 Milliarden Euro in der Kreide stehen.

Vor allem dem Jetset traut kaum noch einer

Konsequenzen hat die Arbeit der Regierung des parteilosen Finanzexperten Lucas Papademos trotzdem: In den vergangenen zwei Monaten nahmen Polizei und Steuerfahnder rund 90 säumige Unternehmer fest. Darunter sind einer der bekanntesten griechischen Industriellen und der Besitzer einer Fitnessstudio-Kette. Athen gibt den Schuldnern eine letzte Chance: Ein neues Gesetz, das vergangene Woche vom Parlament gebilligt wurde, gibt ihnen die Möglichkeit, ihre Schulden in 60 Monatsraten abzubezahlen.

Aber bislang scheint nur der kleine Mann dem Staat zu helfen: In den Arbeitervierteln von Athen fordern viele Leute inzwischen Rechnungen von Handwerkern - und lehnen die viel günstigere Schwarzarbeit ab. Auch viele Geschäfte geben seit einigen Monaten an alle ihre Kunden Quittungen aus. Aber viele Menschen zweifeln, dass auch der griechische Jetset dazu bereit sein wird.

(dpa)
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