EU-Ausstieg EU befürchtet schnelles Scheitern der Brexit-Verhandlungen

Brüssel/London · Im britischen Wahlkampf gibt sich Regierungschefin May unnachgiebig im Hinblick auf die Ausstiegsverhandlungen. Wahlkampf-Rhetorik? In Brüssel glaubt kaum jemand daran. Die EU sieht keinen Grund, dass die Regierung nach der Wahl am 8. Juni einlenken könnte.

 Ein Europa-Anhänger in London (Symbolbild).

Ein Europa-Anhänger in London (Symbolbild).

Foto: afp

Die Europäische Union befürchtet nach Angaben eines hohen Beamten ein rasches Scheitern der Brexit-Verhandlungen. Angesichts der harten Haltung der britischen Regierung sei dieses Szenario "sehr wahrscheinlich", sagte der Beamte am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. Zuvor hatte Premierministerin Theresa May bekräftigt, dass es mit ihr keine Einigung "um jeden Preis" gebe werde. Lieber sei ihr kein Abkommen als ein schlechtes.

Was ein Ausscheiden ohne Trennungsvertrag und ohne künftiges Freihandelsabkommen genau bedeuten würde, ist völlig offen. Die EU müsste wohl ihre finanziellen Forderungen von bis zu 100 Milliarden Euro in den Wind schießen. Die künftigen Rechte der rund 3,2 Millionen EU-Bürger in Großbritannien wären nicht geregelt, ebenso die politisch heikle Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland. Andererseits müsste Großbritannien auf die Vorteile eines Freihandelsabkommens mit der EU verzichten.

May steht vor einer Parlamentswahl am 8. Juni und Beobachter rechnen ihre unnachgiebige Rhetorik auch dem Wahlkampf zu. Doch sieht man auf EU-Seite auch in den einzelnen Sachfragen keinerlei Einlenken. So sagte auch der CDU-Europaparlamentarier Elmar Brok nach Gesprächen mit britischen Regierungsvertretern: "Wenn nicht ein Realitätsbezug entsteht, sehe ich eine große Chance, dass das Ding kollabiert." Gemeint waren die Brexit-Verhandlungen, die in der Woche ab dem 19. Juni beginnen sollen.

Nach Einschätzung des EU-Beamten könnten die Briten die Gespräche schon in der ersten Verhandlungsphase verlassen. Die EU will bis zum Herbst zunächst nur über ihren Forderungskatalog sprechen. Nur wenn dabei "ausreichende Fortschritte" erzielt werden, soll es danach über das von Großbritannien gewünschte Freihandelsabkommen gehen.

Der Austritt wird so oder so erst Ende März 2019 vollzogen, auch wenn die Gespräche scheitern sollten. Man könnte also theoretisch später noch einmal versuchen, zumindest einen Minimalkonsens zu vereinbaren und die Folgen eines ungeordneten Austritts für die Wirtschaft abzumildern.

May äußerte sich in einer von Channel 4 und Sky News gemeinsam ausgestrahlten TV-Sendung. Wie das Verhältnis zur Europäischen Union aussehen könnte, falls es zu einem ungeregelten Brexit kommen sollte, sagte auch sie nicht.

Labour-Chef Jeremy Corbyn setzte in der Sendung auf innenpolitische Themen wie Investitionen in Bildung, Gesundheit und Polizei. Nach dem Anschlag in Manchester mit 22 Toten vor gut einer Woche forderte er zudem einen außenpolitischen Wandel, um Terrorgefahren vorzubeugen. In der Sendung am Montagabend gab es kein TV-Duell. Die Parteichefs beantworteten hintereinander Fragen des Publikums und des Moderators.

May hatte die vorgezogene Neuwahl auch damit begründet, ein klares Mandat für die Brexit-Verhandlungen zu erlangen. Im April lagen die Konservativen teilweise über 20 Prozent vor Labour. Zwischenzeitlich schmolz der Abstand auf bis zu fünf Prozent zusammen. Derzeit liegen die Tories - je nach Umfrage - nur noch zwischen 6 und 14 Prozent vor Labour. Die Befragungen waren vor der Sendung durchgeführt worden.

Grund für die schlechten Umfragewerte der Konservativen dürften unter anderem angekündigte Einsparungen bei den Sozialleistungen sein, die vor allem viele Ältere treffen. So soll eine Heizzulage nicht mehr allen Rentnern gewährt werden. Streit gab es auch um Pflegekosten.

(dpa)
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