EU-Gipfel in Brüssel Andere Regierungen warnen Polen nach Tusk-Eklat

Brüssel · Die Neuwahl des ungeliebten Landsmanns Tusk als EU-Ratspräsident konnte Polens Ministerpräsidentin Szydlo nicht verhindern. Mit der Blockade der Schlussfolgerungen des EU-Gipfels sorgte sie aber für einen Eklat.

Überschattet vom Zerwürfnis mit Polen wegen der Wiederwahl von Ratspräsident Donald Tusk sucht der EU-Gipfel nach Visionen für die Zukunft. "So eine Haltung wie gestern ist nicht akzeptabel", sagte Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel bei seinem Eintreffen am Freitagmorgen in Brüssel. "Zusammen sind wir viel stärker als nationale Lösungen." Die verbleibenden 27 EU-Staaten wollten am zweiten Gipfeltag über ihre Zukunft ohne Großbritannien beraten und sich auf Grundzüge einer Erklärung zur Feier des 60. Jahrestags der Römischen Verträge am 25. März einigen.

Der Versuch der nationalkonservativen Warschauer Regierung, die Wiederwahl ihres liberalkonservativen Landsmannes Tusk zu verhindern, hat die Einigkeit der EU auf eine harte Probe gestellt. Und dies kurz vor den Wahlen in den Niederlanden und in Frankreich, wo die Populisten Geert Wilders und Marine Le Pen mit ihrer Ablehnung der EU voraussichtlich punkten werden.

Allerdings schlossen die anderen 27 EU-Staaten angesichts der polnischen Herausforderung die Reihen. Selbst im Kreis der engen Partner der Visegrad-Staaten Ungarn, Slowakei und Tschechien stand Ministerpräsidentin Beata Szydlo isoliert da. Sie verhinderte am Ende gemeinsame Gipfel-Schlussfolgerungen, was aber keine konkreten politischen Auswirkungen hat. Stattdessen verständigten sich die anderen 27 EU-Staaten auf eine gemeinsame Abschlusserklärung.

Am Tag danach mahnten mehrere Staats- und Regierungschefs Polen ausdrücklich zur Zusammenarbeit. "Ich gehe davon aus, dass das eine Episode bleiben wird", sagte der österreichische Bundeskanzler Christian Kern. "Ich sehe keinen Sinn daran, weder für die Polen, noch für den Rest, dass wir uns da jetzt beleidigt alle in eine Ecke zurückziehen. Das ist nicht das Verständnis von Europa", sagte Kern. Er rechne damit, "dass man wieder zum Verhandlungstisch zurückkommen wird", Polen habe die gleichen Interessen wie die übrigen Mitgliedsstaaten, etwa Fortschritte bei Sicherheit oder Wirtschaft zu erzielen.

Der Luxemburger Bettel kritisierte, die polnische Regierung habe sich "nicht wie ein Erwachsener" verhalten. "Ich glaube, gestern darf nicht der Dauerzustand der EU sein, wo ein Land — und für rein nationalpolitische Zwecke — probiert, unsere ganze Arbeit zu boykottieren", sagte Bettel. Er gehe allerdings davon aus, "dass die nächsten Tagen und Wochen Polen wieder zur Vernunft bringen werden". Dänemarks Regierungschef Lars Løkke Rasmussen sagte zu Polen: "Wichtig ist, ob sie wieder an den Tisch zurückkehren oder nicht."

Als Vorboten eines nahenden Zerfalls der Europäischen Union wollte Kern die Auseinandersetzung nicht werten. "Ich glaube, wir erleben nach Trump und Brexit das Gegenteil", sagte er. Die Politik des neuen US-Präsidenten erwecke den Eindruck, dass die Vereinigten Staaten sich zurückzögen. "Und wir können uns jetzt in Europa entscheiden, ob wir in diesem Vakuum, in dieser Situation eine stärkere Rolle spielen wollen oder nicht." Als Beispiel nannte er die schwelenden Konflikte in den Ländern des Westbalkans.

(rent/dpa)
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