Sonderrechte in EU nicht angebracht EU-Ratspräsident Van Rompuy warnt die Briten
London/Brüssel · Während EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy Großbritannien vor dem Streben nach weiteren Sonderrechten in der EU gewarnt hat, geht der frühere EU-Kommissionspräsident Jacques Delors noch einen Schritt weiter und legt den Briten den EU-Austritt nahe.
"Wenn jeder Mitgliedstaat die Teile der bestehenden Politik wie Rosinen herauspicken könnte, die ihm am besten gefallen - und bei jenen nicht mitmachen, die ihm am wenigsten gefallen, würden sich die Union im Allgemeinen und der einheitliche Markt im Besonderen rasch auflösen", sagte Van Rompuy. Er gehe nicht davon aus, dass ein einzelner Mitgliedstaat "die Grundlagen unseres kooperativen Systems untergraben" wolle.
Van Rompuys Äußerungen erfolgen vor dem Hintergrund kompromissloser Auftritte des britischen Premierministers David Cameron bei EU-Gipfeln. Cameron steht unter dem Druck des euroskeptischen Flügels seiner konservativen Tory-Partei sowie von Meinungsumfragen, nach denen immer mehr Briten einen Ausstieg des Landes aus der EU befürworten. Im November sagte Cameron, er wolle an der EU-Mitgliedschaft Großbritanniens festhalten, aber eine "neue Vereinbarung" erreichen, die den Ausstieg aus einzelnen Politikfeldern ermögliche.
Van Rompuy sagte dem "Guardian", entsprechende Änderungen der europäischen Verträge würden einen "langwierigen und beschwerlichen Prozess" bedeuten, weil die Zustimmung aller Mitgliedstaaten erforderlich wäre. Ein Austritt Großbritanniens aus der EU wäre so, als würde man "einen Freund in die Wüste gehen sehen", fügte Van Rompuy hinzu. Großbritannien war 1973 in die Europäische Gemeinschaft eingetreten, gehört aber nicht der Eurozone an.
Delors: Briten sollten gehen
"Den Briten geht es allein um ihre Wirtschaftsinteressen", sagte der langjährige Kommissionspräsident Delors dem "Handelsblatt". Er empfahl den Austritt Großbritanniens aus der EU. "Ich könnte mir eine Form wie den Europäischen Wirtschaftsraum vorstellen oder ein Freihandelsabkommen", sagte der 87-jährige Franzose. Wenn die Briten den "Trend zu mehr Integration in der EU" nicht ertrügen, "könnten wir trotzdem Freunde bleiben, aber auf anderer Basis".
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte sich in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" vor den Weihnachtstagen für einen Verbleib Großbritanniens in der EU ausgesprochen, zugleich aber mögliche Erpressungsversuche Londons zurückgewiesen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte im November bei einem Besuch im EU-Parlament gesagt, sie könne sich "überhaupt nicht vorstellen, dass Großbritannien nicht zu Europa gehört".