Flüchtlingspolitik EU will "Bearbeitungszentren" entlang der Balkan-Route

Brüssel · Die EU-Innenminister haben am Montag bei einem Sondertreffen darüber diskutiert, neue Zentren für Flüchtlinge zu errichten: In "Bearbeitungszentren" entlang der Balkan-Route sollen Flüchtlinge registriert werden. "Es geht darum, die Ströme zu kontrollieren", so Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn.

In Zentren entlang der Balkan-Route sollen Flüchtlinge registriert werden.

In Zentren entlang der Balkan-Route sollen Flüchtlinge registriert werden.

Foto: ap

Um mehr Ordnung in das Flüchtlingschaos zu bringen, will die Europäische Union in den Balkanländern neue Zentren errichten. Diese "Bearbeitungszentren" sollen Migranten auf der Westbalkanroute aufnehmen, Asylanträge bearbeiten und über Rückführungen entscheiden.

Darüber haben die EU-Innenminister bei einem Sondertreffen zur Flüchtlingskrise am Montag in Brüssel diskutiert, sagte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn nach dem Treffen. Das Konzept müsse noch weiter entwickelt werden. "Wir können uns eine kritische Situation vor unseren Toren nicht erlauben", sagte Asselborn. "Es geht darum, die Ströme zu kontrollieren." Ziel sei aber keineswegs, Migranten zu internieren oder einzusperren.

Asselborn warnte aber davor, dass Hauptzielländer wie Deutschland oder Schweden "nicht mehr in der Lage sein könnten, die Last zu tragen". Dann drohe die Schließung von Grenzen, und das Schengen-System, das in Europa Reisefreiheit garantiert, gerate in Gefahr, sagte Asselborn, dessen Land derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne hat. Grenzschließungen könnten zu einem "Dominoeffekt" entlang der Balkanroute führen. Und vor dem Winter müsse die EU dort ohnehin eine "humanitäre Katastrophe" verhindern. "Wir können die Menschen in den Ländern des Balkans nicht erfrieren lassen."

Alle seien sich einig, "dass Tempo oberste Priorität hat", sagte die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Zentraler Punkt sei dabei die Sicherung der EU-Außengrenze. Sie bezeichnete es als "Mythos", dass die die griechisch-türkische Grenze nicht wirksam überwacht werden könne. Entweder Griechenland nehme das selbst in die Hand oder es müsse Hilfe anfordern. Dies sei auch Voraussetzung dafür, dass die sogenannten Hotspots - also Zentren zur Registrierung von Flüchtlingen - in Ankunftsländern wie Griechenland überhaupt funktionieren könnten.

Doch die Luxemburger Ratspräsidentschaft rechnet offenbar nicht damit, dass Griechenland schnell in der Lage sein wird, bei tausenden Flüchtlingen pro Tag die Fingerabdrücke zu nehmen und ihre Daten aufzunehmen. Es gebe deshalb Überlegungen, "Bearbeitungszentren" entlang der Balkanroute einzurichten, sagte Asselborn. Dies gelte sowohl für Staaten innerhalb als auch außerhalb der EU, wenn auch nicht in der Türkei. EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos sagte, die EU sei aber "weit davon entfernt, Haftzentren aufzubauen".

"Als letztes Mittel" sollen die Mitgliedstaaten aber "kooperationsunwillige Flüchtlinge" auch inhaftieren können, wie es in den Schlussfolgerungen des Treffens heißt. Auch der Rückgriff auf "Asylverfahren an Grenzen oder in Transitzonen" wird demnach empfohlen. Mit Hilfe der EU-Grenzagentur Frontex soll die Zahl der Abschiebungen "deutlich erhöht" werden - auch zur Abschreckung. Eine gemeinsame Informationsstrategie soll dafür sorgen, dass in den Herkunftsländern von Flüchtlingen über diese Praxis informiert und Schleusern so das Wasser abgegraben wird.

Die vereinbarte Umverteilung von 160.000 Flüchtlingen aus Ankunftsländern wie Griechenland und Italien wollen die EU-Länder "beschleunigen". Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte vor Beginn des Treffens beklagt, diese komme nur "sehr schleppend in Gang". Tatsächlich wurden bisher erst knapp 150 Menschen in andere EU-Länder gebracht.

Seit Jahresbeginn sind laut UNO bereits 750.000 Menschen in Europa eingetroffen. Die Vereinten Nationen rechnen in den kommenden vier Monaten mit 600.000 weiteren, die voraussichtlich von der Türkei aus über das Mittelmeer oder den Landweg einreisen werden.

Die Minister unterstützten deshalb nach den Schlussfolgerungen des Treffens beschleunigte Verhandlungen über von der Türkei geforderte Visa-Erleichterungen für seine eigenen Staatsbürger. Sie sind für Ankara Voraussetzung dafür, mit der EU in der Flüchtlingskrise zusammenzuarbeiten. Ein von der EU-Kommission entworfener Aktionsplan zielt darauf, die Grenzsicherung zu verstärken und die Flüchtlinge in der Türkei zu halten.

Schon ab Mittwoch beraten in Malta wieder die EU-Staats- und Regierungschefs über die Flüchtlingskrise - zunächst mit den Vertretern afrikanischer Länder und am Donnerstag bei einem separaten Treffen auch erneut über das Vorgehen der EU selbst.

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(jf, dpa, AFP)
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