Neue Flüchtlingspolitik der EU Auf dem richtigen Weg — aber noch lange nicht am Ziel

Meinung | Berlin · Nach den tragischen Bootsunglücken im Mittelmeer drängt Brüssel die Staaten zum Handeln: Gegen den Widerstand vieler Länder will die EU-Kommission Flüchtlinge künftig per Quoten gerechter auf alle EU-Staaten verteilen.

Flüchtlingsdramen im Mittelmeer
Infos

Flüchtlingsdramen im Mittelmeer

Infos
Foto: ap, ALT

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat es heute in Brüssel auf den Punkt gebracht: "Wir brauchen untereinander mehr Solidarität", sagte Juncker mit Blick auf die Verteilung von Flüchtlingen in Europa. Das liegt auf der Hand. Nach Angaben des EU-Statistikamtes Eurostat hat Deutschland 2014 rund 47.600 Asylgesuchen stattgegeben. In Estland waren es 20, in Kroatien und Lettland jeweils 25, in Portugal 40 und in Slowenien 45 Asylsuchende, die Schutz fanden.

Mit der Verabschiedung ihres Strategiepapieres hat die EU sich daher nun endlich auf den richtigen Weg begeben, den Flüchtlingsstrom besser zu regeln. Das vorgeschlagene Quotensystem ist überfällig und es sorgt für mehr Gerechtigkeit. Zumal es nicht etwa nur die Bevölkerungszahl der jeweiligen Zielländer berücksichtigt, sondern auch deren Wirtschaftskraft und Arbeitslosenquote. Und selbst wenn die Verteilungszahlen auch mit der Quote noch stark auseinander gehen werden: Das geplante System sorgt für Transparenz und klare Regeln, auf die sich alle beziehen können. Jetzt sind die Staats- und Regierungschefs am Zug, das Vorhaben durchzuwinken.

Griechenland: Flüchtlings-Drama vor Rhodos – ein Retter erzählt
15 Bilder

Flüchtlings-Drama vor Rhodos – ein Retter erzählt

15 Bilder

Doch ganz so einfach wird das wohl nicht werden. Großbritannien, Irland, Ungarn, Tschechien und Lettland stehen auf der Bremse. Sie haben kein Interesse daran, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, fürchten sich wohl vor nationalen Debatten über Fremdenfeindlichkeit und vor unbegründeten Ängsten ihrer Bevölkerung vor Menschen, die alles verloren haben und in ihrer Heimat zurücklassen mussten. Wie fehlgeleitet und kaltschnäuzig die Haltung dieser europäischen Partner ist, hat eine Äußerung der britischen Innenministerin Theresa May offenbart: Sie sprach sich in einem Gastbeitrag dafür aus, Flüchtlingsboote auf dem Mittelmeer zurückzuschicken. Das ist schlicht menschenverachtend.

Angesichts der jüngsten Flüchtlingsdramen im Mittelmeer und anderswo in der Welt muss jeder EU-Bürger und jeder Politiker erkennen, dass es ein Gebot der Menschlichkeit ist, Flüchtlinge aufzunehmen und ihnen zu helfen. Es muss doch mahnendes Zeichen genug sein, dass Menschen ihre Heimat verlassen, ihre Familien zurücklassen, den Hungertod auf See in Kauf nehmen, um Schutz in Europa zu finden.

Europa kann also mit seiner Flüchtlingspolitik noch lange nicht am Ziel sein. Solange die Mittel für die Seenotrettungs- bzw. Grenzsicherungsprogramme "Poseidon" und "Triton" zwar verdreifacht werden, deren Einsatzgebiete aber nicht ausgeweitet werden, bleiben die Programme hinter der abgeschafften Mission "Mare Nostrum" der italienischen Marine zurück. Ein Fehler, der wohl weiterhin Menschenleben im Mittelmeer kosten wird. Daran kann auch kein robustes Mandat etwas ändern, das die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini zur Zerstörung von Schlepperbooten gefordert hat.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort