Athen/Brüssel/Berlin EU lehnt Schuldenschnitt für Athen ab

Athen/Brüssel/Berlin · Griechenlands linker Regierungschef koaliert überraschend mit den Rechtspopulisten. Die Hilfe der EU dürfte trotzdem weitergehen.

Nach dem Wahlsieg der Linkspartei Syriza in Griechenland ist in Europa eine heftige Debatte über den bisherigen Spar- und Reformkurs zur Überwindung der Euro-Krise entbrannt. Die Euro-Finanzminister, die Bundesregierung und deutsche Wirtschaftsverbände lehnten einen Schuldenschnitt für Athen und die Abkehr vom bisherigen Krisenmanagement ab. Gewerkschaften, Linksparteien und die Grünen verlangten dagegen einen grundlegenden Kurswechsel. Sparprogramme müssten gelockert werden, um mehr Wachstum und Investitionen zu ermöglichen.

In Griechenland wurde der Wahlsieger, Syriza-Chef Alexis Tsipras, bereits gestern als neuer Ministerpräsident vereidigt. Seine Partei, die mit 149 Mandaten im Parlament knapp an der absoluten Mehrheit von 151 Sitzen vorbeischrammte, will mit den rechtspopulistischen "Unabhängigen Griechen" eine Koalition eingehen. Beide Parteien fordern einen Schuldenschnitt für Griechenland sowie den Stopp der mit der EU vereinbarten Spar- und Reformauflagen.

Der Regierungswechsel in Griechenland bedeutet für die Bundesregierung, die auf strikte Einhaltung der Vereinbarungen pocht, eine Zeitenwende: Überall in Europa könnten links- oder rechtspopulistische Parteien erstarken, die gegen die strengen Auflagen rebellieren.

Kein Euro-Land ist allerdings willens, auf Zinszahlungen und Kreditrückzahlungen der Krisenländer zu verzichten. Einen Schuldenschnitt für Griechenland lehne die Euro-Gruppe der Finanzminister ab, erklärte der Chef der Euro-Gruppe, Jeroen Dijsselbloem, nach einer Sitzung in Brüssel. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) pochte auf Vertragstreue: "Niemand drängt Griechenland irgendetwas auf, aber die Verpflichtungen gelten", sagte er. Die Euro-Gruppe will nun über die Verlängerung des Ende Februar auslaufenden aktuellen Rettungsprogramms für Athen beraten. Ohne die Verlängerung ginge Athen im Frühjahr das Geld aus.

DGB-Chef Reiner Hoffmann erklärte, nun müsse "endlich Schluss sein mit einer Sparpolitik, die vor allem auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen wird". Auch der Wirtschaftsweise Peter Bofinger sagte: "Die Griechenland-Wahl sollte Anlass für einen Strategiewechsel in der Euro-Krisenpolitik insgesamt sein. Wir brauchen neben den Strukturreformen überall in Europa mehr Zukunftsinvestitionen in Bildung, Forschung und Entwicklung. Das geht nur über neue kreditfinanzierte Investitionsprogramme." Jedes Land solle "seine Verschuldung um ein Prozent seines Bruttoinlandsprodukts erhöhen dürfen, wenn es dieses Geld in Zukunftsinvestitionen steckt und Strukturreformen umsetzt".

(mar)
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