Vom "Leben des Brian" bis zu virtuellen Luftballons Europawahl: Wie im Netz um jede Stimme gekämpft wird

Brüssel · Wie interessiert man die EU-Bürger für die Europawahl? Diese Frage stellen sich in diesen Tagen nicht nur die Parteien und ihre Spitzenkandidaten, sondern auch die europäischen Institutionen. Denn schließlich ist das Interesse noch immer verhalten. Wie bei der Bundestagswahl setzen sie vermehrt auch auf die sozialen Netzwerke – mitunter mit ungewöhnlichen Aktionen und nicht immer mit glücklichem Händchen.

 So sieht die Aktion "A Taste of Europe" auf den Facebook-Seiten von EU-Kommission und EU-Parlament aus.

So sieht die Aktion "A Taste of Europe" auf den Facebook-Seiten von EU-Kommission und EU-Parlament aus.

Foto: Screenshot Facebook/European Parliament

Wie interessiert man die EU-Bürger für die Europawahl? Diese Frage stellen sich in diesen Tagen nicht nur die Parteien und ihre Spitzenkandidaten, sondern auch die europäischen Institutionen. Denn schließlich ist das Interesse noch immer verhalten. Wie bei der Bundestagswahl setzen sie vermehrt auch auf die sozialen Netzwerke — mitunter mit ungewöhnlichen Aktionen und nicht immer mit glücklichem Händchen.

Es ist gerade einmal ein paar Wochen her, da ergab eine Umfrage, dass sich rund 70 Prozent der Deutschen nicht für die Europawahl interessieren. Das hat sich inzwischen zwar geändert, doch wirklich großes Interesse gibt es noch immer nicht an dem Urnengang. Laut aktuellem ARD-Deutschlandtrend haben 41 Prozent der Befragten starkes oder sehr starkes Interesse — immerhin sechs Prozentpunkte mehr als vor zwei Wochen.

Also heißt es für die Parteien, ihre Spitzenkandidaten und auch die europäischen Institutionen umso mehr, um Aufmerksamkeit zu buhlen. Auch bei der Europawahl wird dabei vermehrt auf soziale Netzwerke und Kanäle gesetzt, um insbesondere junge und Erstwähler zu animieren, am 25. Mai in die Wahlkabine zu gehen. Doch im Netz braucht es mehr als den normalen Wahlkampf-Clip der Parteien (die auch alle auf Youtube zu finden sind), um wirklich Erfolg zu haben. Also greift man mitunter zu ungewöhnlichen Aktionen.

Monty Python in neuem Gewand

In Dänemark ging das allerdings gründlich schief. Ein Trickfilm-Video des dortigen Parlaments mit dem "Voteman" wurde aus dem Netz genommen, weil es als zu frauenfeindlich und brutal kritisiert wurde. Doch im Netz etwa bei Youtube verbreitet es sich munter weiter. Da hatte die Junge Union Darmstadt mehr Glück. Sie hatte den "Supergeil"-Song von Friedrich Liechtenstein gecovert und daraus eine Lobeshymne auf die EU gemacht. Super-Wirtschaft, Super-Erasmus waren dabei nur zwei Schlagworte. Den Machern des Original aber gefiel das ganz und gar nicht.

"Ihr Hupen von Junge Union Darmstadt, wir haben bisher wirklich jedem erlaubt, unseren Song zu covern. Aber euch haben wir das nicht erlaubt", erklärte das Berliner Musikprojekt "Der Tourist" auf seiner Facebook-Seite. "Warum? Weil ihr nicht gefragt habt. Und wir hätten das auch nie erlaubt. Warum? Weil ihr die Junge Union seid." Schließlich nahmen die Jungpolitiker das Video aus dem Netz.

Aber es gibt durchaus Aktionen im Wahlkampf, die zum Schmunzeln anregen. Da ist etwa das Youtube-Video "Volksfront Gegen Europa: Was hat die EU je für uns getan?" Es ist ein Beitrag im Rahmen des Wettbewerbes Europa: Erste Wahl auf Initiative der Niedersächsischen Staatskanzlei. Als Vorlage diente eine Szene aus dem "Monty Python-Films: "Das Leben des Brian". Im Original sitzen einige Männer an einem Tisch, und der Wortführer fragt: "Was, frage ich euch, haben die Römer je für uns getan?" Nach einer Runde Lamentieren kommen einige Stimmen aus der etwas Abseits sitzenden Gruppe, die die Vorzüge, welche die Römer gebracht haben, aufzählen — wie etwa Straßen.

In der Europwahl-Version läuft es ähnlich. Erst wird ordentlich über die EU hergezogen mit Sätzen wie "Sie haben uns ausbluten lassen diese Schweine. Sie haben uns alles genommen, was wir hatten." Doch dann fällt den Umsitzenden doch so einiges ein, was denn die EU Positives gebracht habe — schöne Straßen, Acta wurde gestoppt, die Roaming-Gebühren gesenkt, Edward Snowden wurde befragt, es gibt offene Grenzen usw. Und am fällt auch das Wort Frieden.

Europas Populisten
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4,4 Millionen Euro für Netzkampagne

Auch EU-Parlament und EU-Kommission werben im Netz um Aufmerksamkeit und vor allem darum, dass die Menschen überhaupt wählen gehen. Laut Bundeszentrale für politische Bildung" tun die Institutionen dies in 24 Sprachen unter anderem mit der Botschaft "Diesmal geht es um mehr" — und das in 24 Sprachen. 16 Millionen Euro kostet demnach die Europawahl-Kampagne, allein 4,4 Millionen Euro flossen in die Netzaktivitäten. So biete das EU-Parlament etwa Chats mit Europa-Abgeordneten an, habe auf Twitter einen Newshub, der die Aktivitäten aller parlamentarischen Kanäle und fast alle Online-Aktivitäten der EU-Abgeordneten und Fraktionen abbilde.

Die Institutionen versuchen aber ebenfalls mit etwas ungewöhnlichen Aktionen, auf die Wahl aufmerksam zu machen. Auf den Facebook-Seiten von EU-Parlament und EU-Kommission gibt es etwa die Aktion "I am a voter", bei der User ihren eigenen Luftballon kreiieren können. Diese können sie an ihre Freunde schicken mit einer Botschaft, warum sie am 25. Mai wählen gehen. Und die Freunde können die Ballons wiederum weiterschicken. Ziel ist es, die längste Kette zu bilden. Mindestens fünf Freunde müssen mitmachen, um gezählt zu werden. Und am Ende — bis zum 21. Mai läuft die Aktion — gibt es auch eine Reise nach Straßburg zu gewinnen inklusive Besuch des Europäischen Parlaments.

Eine andere Aktion auf den beiden Facebook-Seiten heißt "Taste of Europe". Darin wollen die beiden EU-Institutionen die Wähler animieren, doch ihre eigene Wahlparty am 25. Mai zu machen — und geben dafür Tipps. So können die User Rezepte hochladen, die sich andere wiederum anschauen und nachmachen können. Einem internationalen Menü steht also nichts im Wege. Auch Ideen für Getränke, Popcorn und Co. für den perfekten Wahlabend gibt es auf der Seite. Zudem gibt es ein Spiel unter dem Namen "Welches Land bin ich".

Ob es am Ende wirklich jede Menge Wahlpartys gibt, wird wohl niemand so genau wissen. Aber immerhin: Mitmacher gibt es. Und ohne die sozialen Netzwerke und ungewöhnliche Aktionen geht im Wahlkampf nichts mehr, das hat sich nicht nur bei der vergangenen Bundestagswahl gezeigt, sondern eben auch bei der jetzigen Europawahl.

(das)
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