Analyse Europas gefeierte Außenbeauftragte

Brüssel · Ineffizient, unkoordiniert und teuer - die EU-Außenpolitik nimmt nur langsam Gestalt an. Die ersten Amtsmonate der Außenbeauftragten Mogherini aber wecken Hoffnung.

 Federica Mogherinis

Federica Mogherinis

Foto: dpa, jw pt

Nach der Premiere gab es stehende Ovationen. Das erzählen Diplomaten vom ersten Auftritt Federica Mogherinis am Rondpoint Schuman in Brüssel, wo der Europäische Auswärtige Dienst residiert. Dass Italiens ehemalige Außenministerin Anfang November so bejubelt wurde, hat auch mit dem Frust darüber zu tun, dass sich die Träume der EU-Außenpolitiker bisher nicht erfüllt haben.

Der frühere US-Außenminister Henry Kissinger fragte einst nach einer Telefonnummer, um Europa an die Strippe zu bekommen. Die gehört heute aber eher Kanzlerin Angela Merkel als der oder dem offiziellen EU-Außenbeauftragten. Der Posten wurde mit dem Lissabon-Vertrag, Ende 2009 in Kraft getreten, aufgewertet. Zuvor war der Spanier Javier Solana noch reiner Reisediplomat gewesen. Seine Nachfolgerin Catherine Ashton aus Großbritannien sollte in Personalunion die außenpolitische Arbeit des Ministerrats wie der EU-Kommission koordinieren. Sie wurde zugleich Vizepräsidentin der Brüsseler Behörde, leitete fortan die Ministersitzungen und erhielt ein eigenes "Ministerium", eben jenen Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD).

Wirklich ausgefüllt wurde der Posten nicht. Ashton war keine große Kommunikatorin, fehlte bei vielen Kommissionssitzungen und hatte selten Lust, dem Europaparlament Rede und Antwort zu stehen oder Journalisten Interviews zu geben. Die Strukturen taten ein Übriges. "Der Auswärtige Dienst arbeitet ineffizient", ärgert sich die CDU-Europaabgeordnete Inge Gräßle, die dem Haushaltskontrollausschuss vorsteht.

Der EU-Rechnungshof hat vergangenes Jahr festgestellt, der Dienst sei "überhastet und schlecht vorbereitet eingerichtet worden". Der Gründungsbeschluss habe nur bestehende Abteilungen unter einem Dach versammelt. Versäumt wurde demnach, den Bedarf, konkrete Herausforderungen und potenzielle Synergieeffekte in der Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten zu ermitteln. Die Beamten bekamen keine politischen Prioritäten an die Hand - mit dem Ergebnis, dass jede Abteilung für sich getrennt plante. Angesichts der vielen internationalen Krisen, lautete das vernichtende Urteil des Rechnungshofberichts, "hat der EAD Ad-hoc-Ansätze verfolgt statt eine überwölbende außenpolitische Strategie für die EU zu entwickeln".

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Es ist nicht alles schlecht. Routinen wurden entwickelt, vereinzelt auch Akzente gesetzt. Ashton und ihr Stab, allen voran die deutsche Spitzendiplomatin Helga Schmid, haben die Atomgespräche mit dem Iran geleitet und sich dafür viel Respekt verschafft. Mogherini hat sich viele Freunde dadurch gemacht, dass sie weiter auf Ashtons Expertise bezüglich der Teheraner Politik setzt. Den letzten entscheidenden Schachzug allerdings hat Mogherini selbst gemacht. Sie war maßgeblich daran beteiligt, dass bei den Verhandlungen in Lausanne mit dem Iran über dessen Atomprogramm eine Einigung erzielt werden konnte. Die fünf UN-Vetomächte haben sich mit dem Iran auf Eckpunkte für eine abschließende Vereinbarung geeinigt.

Die notwendigen Reformen hat Catherine Ashton ihrer Nachfolgerin ohnehin überlassen. "Nicht die feine englische Art", rügt der CDU-Mann Elmar Brok, Chef-Außenpolitiker im Europaparlament. In seinem Bericht heißt es: "Die EU war bisher noch nicht in der Lage, ihr Potenzial voll auszuschöpfen." Das ist nicht nur Lady Ashtons Schuld, die Mitgliedstaaten - doch noch nicht zum teilweisen Souveränitätsverzicht bereit - ließen sie auch nicht gewähren. Das fängt damit an, dass die Informationen aus den europäischen Delegationen zwar via Brüssel in die Mitgliedstaaten fließen. Umgekehrt tun die sich aber schwer, Lagebilder oder gar Geheimdiensterkenntnisse mit der europäischen Zentrale zu teilen. Die Briten wehren sich dagegen, dass EU-Botschaften konsularische Aufgaben übernehmen. Entgegen der ursprünglichen Absicht wurden in nationalen Ministerien keine Abteilungen eingespart oder verkleinert. Teure Parallelstrukturen entstanden auch dadurch, dass der Ministerrat teilweise bis zu 13 Sonderbotschafter für verschiedene Weltgegenden ernannte - nicht förderlich für eine einheitliche politische Botschaft. Kohärenz ist das Zauberwort - steht es doch für die verbreitete Hoffnung, dass mit einem koordinierten Einsatz aller verfügbaren Instrumente Europa Gehör findet und etwas bewegen kann.

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Mogherini will etwas gegen die "mangelnde Koordination" tun. Von ihren drei Büros in den drei Institutionen nutzt sie vor allem das in der EU-Kommission. "Einmal im Monat oder öfter", sagt sie, trommele sie nun alle Kommissare zusammen, deren Fachgebiet außenpolitische Bezüge hat. "Da sitzen manchmal zehn Kommissare am Tisch", berichtete sie gerade dem Europaparlament, wo sie anders als Ashton häufig erscheint. Sie will den Graben zwischen Innen- und Außenpolitik überbrücken, weshalb sie an diesem Montag erstmals das Flüchtlingsthema, bisher allein bei den Innenministern angesiedelt, auf die Agenda des Außenrates gesetzt hat. Dort geht es unter ihrer Leitung fokussierter zu. "Statt über jedes Komma in den Statements zu verschiedenen Krisenherden zu diskutieren", berichtet ein Diplomat, "setzt sie bei jedem Treffen eine strategische Diskussion zu einem Thema an".

Die Arbeiten an einer neuen Außenpolitikstrategie haben begonnen. "Es ist zwar noch ein langer Weg", sagt die Italienerin, "aber wenn ich mir die ersten vier Monate anschaue, bin ich ermutigt." Nicht nur sie. Die 41-Jährige ist zum Liebling des Brüsseler Politikbetriebs geworden, von der befürchteten Unerfahrenheit redet keiner mehr. "Alle sind sehr glücklich mit ihr", berichtet der Diplomat, "auch wenn das als Ashtons Nachfolgerin leicht fällt."

(RP)
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