Flüchtlinge Weitere EU-Länder führen Grenzkontrollen ein

Brüssel · Dominoeffekt im Schengen-System: Nach Deutschland führen weitere Staaten vorübergehende Grenzkontrollen ein, um der Flüchtlingskrise Herr zu werden. Österreich kündigte am Montag Kontrollen an seiner Grenze zu Ungarn an, auch Tschechien und die Slowakei verstärkten die Kontrollen.

Polizei überprüft Flüchtlinge an Grenze zu Österreich
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Foto: afp, GS/AG

Die Bundesregierung verteidigte ihre Entscheidung vor einem Sondertreffen der EU-Innenminister, das sich mit den umstrittenen Plänen zur solidarischen Verteilung von Flüchtlingen in Europa befasst.

Die Kontrollen würden "in einigen wenigen Stunden" nach den derzeit laufenden Vorbereitungen beginnen, sagte die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner in Brüssel. Die Regierung in Wien reagiere damit auf tausende Flüchtlinge, die weiter aus Ungarn kämen, und die Wiedereinführung der Grenzkontrollen durch Deutschland an seiner Grenze zu Österreich. Die Kontrollen sollten zumindest in den "nächsten Tagen" aufrecht erhalten werden.

Die Regierung in Wien kündigte auch an, in der Flüchtlingskrise nun Teile der Armee einzusetzen. Bundeskanzler Werner Faymann sagte, rund 2200 Soldaten sollten unter anderem bei Grenzkontrollen helfen.

Deutschland hatte am Sonntagnachmittag beschlossen, wegen der hohen Flüchtlingszahlen vorübergehend wieder die Grenzen insbesondere zu Österreich zu kontrollieren. In den vergangenen Tagen waren tausende Flüchtlinge über das Nachbarland nach Deutschland gelangt. Sie konnten nach Behördenangaben kaum noch aufgenommen und versorgt werden.

Flüchtlingsandrang in München – Bilder vom Hauptbahnhof
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Flüchtlingsandrang in München

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Der Druck auf Österreich stieg auch, weil Ungarn offenbar Flüchtlinge in Sonderzügen direkt von der serbischen an die österreichische Grenze brachte. "Nach unseren Informationen bringen Spezialzüge die Flüchtlinge vom Grenzort Röszke direkt und ohne Halt zur österreichischen Grenze", sagte Erno Simon, Vertreter des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) für Zentraleuropa, der Nachrichtenagentur AFP. Am Sonntag hätten UNHCR-Mitarbeiter drei dieser Züge mit mindestens 2000 Menschen beobachtet. Ungarische Polizisten hätten Flüchtlinge nachts aufgeweckt, um sie auf die Reise Richtung Österreich zu schicken.

Deutschland hatte wie im Schengen-System gefordert die EU-Kommission über die neuen Grenzkontrollen informiert. Diese bekräftigte am Montag, dass die Kontrollen "auf den ersten Blick" mit den Regeln des Schengen-Raums vereinbar seien. In ihm können sich die Bürger aus 26 europäischen Staaten normalerweise ohne Passkontrollen bewegen. Ausnahmen sind aber etwa bei Gefährdung der öffentlichen Sicherheit möglich. Ein Kommissionssprecher sagte, Ziel müsse es sein, "so schnell wie möglich" wieder zu offenen Grenzen zurückzukehren.

Deutschland verteidigte die vorübergehenden Grenzkontrollen. Die Bundesregierung stehe nach wie vor zum Schengen-System offener Grenzen, sagte Außenstaatsminister Michael Roth (SPD) in Brüssel. Die vorübergehenden Grenzkontrollen änderten "nichts daran, dass Deutschland weiterhin zu seinen humanitären Verpflichtungen steht und wir nach wie vor keinen Flüchtling stehen lassen". Notwendig sei aber Solidarität der EU-Partner bei der Flüchtlingsaufnahme.

Von Syrien nach München – die Route der Flüchtlinge
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Foto: AP/Lefteris Pitarakis

Die EU-Innenminister beraten am Nachmittag (15.00 Uhr) über einen Vorschlag von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, 120.000 Flüchtlinge über verbindliche Quoten auf die EU-Staaten zu verteilen. Damit sollen die Ankunftsländer Griechenland, Italien und Ungarn entlastet werden. Widerstand gegen die verpflichtende Aufnahme von Flüchtlingen kommt vor allem aus Osteuropa. Roth sah in der Frage der Umverteilung von Flüchtlingen in Europa "Signale der Bewegung aus einer Reihe von Staaten". Er sei aber nicht sicher, ob dies ausreichen werde, um schon am Montag eine Einigung zu erzielen.

Am Vormittag beschlossen die Europaminister die Ausweitung des EU-Militäreinsatzes gegen Schlepperbanden im Mittelmeer. Die beteiligten Marineeinheiten sollen damit ab Oktober erstmals Schiffe von Menschenhändlern auf hoher See aufbringen und gegebenenfalls zerstören. Zudem sollen Schleuser festgenommen werden können. Vor dem Beginn des erweiterten Einsatzes muss wegen der Beteiligung der Bundeswehr noch der Bundestag zustimmen. Deutschland hatte sich schon an der ersten Phase des Einsatzes, der zunächst der Informationsbeschaffung über Schleusernetze und der Seenotrettung diente, mit zwei Schiffe beteiligt.

(AFP)
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