Infos Fragen und Antworten zum Plastiktüten-Gesetz
Auf dem Nachhauseweg noch rasch Halt machen beim Supermarkt. Es wird wieder mehr als gedacht - also der Griff zur Plastiktüte. Überall sind sie zur Hand, für ein paar Cent oder gratis. Werden sie nicht korrekt entsorgt, wird die Umwelt gefährdet, etwa durch Plastikpartikel im Wasser. EU-Umweltkommissar Janez Potocnik (Foto) will in Brüssel ein Anti-Plastiktüten-Paket vorstellen, dessen wichtigste Details bereits durchgesickert sind.
Was schlägt die EU-Kommission vor?
Insbesondere leichten Einweg-Tüten sagt die Brüsseler Behörde den Kampf an. Deshalb schlägt Umweltkommissar Janez Potocnik vor, dass sich die 28 EU-Staaten Ziele zur Verminderung des Verbrauchs setzen. Am wichtigsten ist aber: Brüssel will den EU-Staaten erlauben, die Tüten zu verbieten. Bisher heißt es in der Richtlinie 94/62/EG: "Die Mitgliedstaaten dürfen in ihrem Hoheitsgebiet das Inverkehrbringen von Verpackungen, die dieser Richtlinie entsprechen, nicht verbieten." Diesen Artikel 18 will Potocnik kassieren. Dafür braucht es aber ein Ja der EU-Staaten und des Europaparlaments. Zudem werden die Staaten zu neuen Steuern oder Abgaben auf Plastiktüten ermutigt.
Wie ist die Lage in Deutschland?
Allein hier würden pro Minute 10.000 Plastiktüten verbraucht, schlug Jürgen Resch von der Umwelthilfe jüngst zum "Plastic Bag Free Day" Alarm. Dies ist schwer zu überprüfen. Die deutsche Jahresmenge würde aneinandergelegt 39 Mal die Erde umrunden, meint Resch. Jeder Bürger in Deutschland verbraucht im Schnitt 71 Tüten im Jahr, EU-weit sind es 198 Stück. Als Vorbild wird Irland genannt, wo eine Abgabe von 22 Cent erhoben wird. Laut irischem Umweltministerium sei so der Verbrauch von 328 auf 21 Tüten pro Kopf im Jahr zurückgegangen.
Wäre das Irland-Modell auch für Deutschland sinnvoll?
Jochen Flasbarth, Präsident des Umweltbundesamtes (UBA), geht in diese Richtung. Er fordert eine generelle Bezahlpflicht - dass also auch Kaufhäuser, Elektro-, Schuh- und Bekleidungsläden Plastiktüten nicht mehr kostenlos abgeben dürfen. Daten zu Abfällen an deutschen Ostseestränden deuteten darauf hin, dass sich die kostenlosen Tüten häufiger finden lassen als kostenpflichtige Tüten, sagte Flasbarth.
Warum ist das ein so großes Umweltproblem?
Viele Plastiktüten werden nicht wiederverwertet, wobei gerade Deutschland mit seinen hohen Recyclingstandards hier gut dasteht. Laut des UN-Umweltprogramms treiben rund 13.000 Plastikpartikel auf jedem Quadratkilometer Meeresoberfläche - durch Strömungen werden diese weltweit verteilt. Es wird geschätzt, dass rund 80 Prozent des Meeresmülls von der Landseite kommen, laut UBA vor allem über Flüsse oder über große küstennahe Mülldeponien, etwa im Mittelmeerraum.
Welche Folgen hat dies?
Plastikmüll im Meer habe deutlich negative Auswirkungen auf Organismen, schreibt das UBA. "Plastik hat eine sehr lange Abbauzeit und zersetzt sich zum Teil in immer kleinere Teile, wobei Additive wie Weichmacher oder Flammschutzmittel freigesetzt werden." Über Fische können sie in der menschlichen Nahrungskette landen. Da viele Tiere kleine Plastikteile mit Nahrung verwechselten, nähmen sie diese auf. Eine Untersuchung toter Eissturmvögel an der Nordseeküste habe gezeigt, dass 95 Prozent der Vögel im Durchschnitt 30 Kunststoff-Teile im Körper gehabt hätten, betont die Umweltbehörde.
In welchen EU-Ländern ist der Tütenverbrauch am höchsten?
In den Ländern Osteuropas sowie in Portugal greifen die Menschen besonders gern zum Plastikbeutel. Über 500 leichte und schwere Tüten verbraucht jeder Bürger pro Jahr etwa in Slowenien oder Ungarn. Das geht aus einem Begleitpapier zu den Kommissionsvorschlägen hervor.
Die Zahlen sind allerdings mit Vorsicht zu genießen: Für eine Reihe von Ländern gibt es nur Schätzwerte. Aber es gilt: Je geringer eine Abfallwirtschaft entwickelt ist, desto größer die Umweltbelastung.
Was sagen Umweltverbände?
Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) begrüßt die EU-Pläne. Vor allem leichte Tüten sieht Ressourcen-Experte Benjamin Bongardt kritisch, weil sie als Einwegtüten gedacht seien und daher eine besonders schlechte Ökobilanz hätten. Dass die EU-Kommission nicht gleich ein Verbot vorschlägt, hält er für sinnvoll: Damit hätte sich die Behörde unter den EU-Staaten ohnehin nicht durchsetzen können.
Ein Expertenvorschlag ist auch, dass konkrete Minderungsziele wie beim Treibhausgasausstoß gesetzt werden und zum Beispiel bis 2020 jeder EU-Bürger nur noch 40 Plastiktüten im Jahr verbrauchen darf.