Paris weiterhin Defizit-Sünder Verspielt Frankreich den Euro?

Paris · Die EU-Kommission prüft derzeit den Pariser Etat-Entwurf. Darin ist erneut ein Defizit vorgesehen, das weit über der Grenze von drei Prozent liegt. Frankreich nimmt Krach mit Brüssel in Kauf - aber auch eine Lösung deutet sich an.

 Frankreichs Wirtschaftsminister Emmanuel Macron (l.) und Finanzminister Michel Sapin kommen nach Berlin.

Frankreichs Wirtschaftsminister Emmanuel Macron (l.) und Finanzminister Michel Sapin kommen nach Berlin.

Foto: afp, lv

Die wirtschaftliche Lage der Euro-Zone und das europäische Investitionsprogramm sind nach offizieller Lesart die Themen des Vierertreffens der französischen und deutschen Wirtschafts- und Finanzminister am Montag in Berlin.

Doch Wirtschaftsminister Emmanuel Macron und Finanzminister Michel Sapin haben ein viel aktuelleres Problem mit ihren Kollegen Sigmar Gabriel (SPD) und Wolfgang Schäuble (CDU) zu bereden: die Haushaltslage Frankreichs. Denn am Mittwoch hat Sapin seinen 60 Seiten langen Haushaltsentwurf für das Jahr 2015 an die Europäische Union nach Brüssel geschickt. Bis zum 29. Oktober hat die Kommission nun Zeit, sich über die Zahlen zu beugen, die darin enthalten sind.

Und die Zahl, die dabei besonders ins Auge fällt ist die 4,3. So hoch hat Paris das Haushaltsdefizit für das nächste Jahr veranschlagt. Dabei hatte die sozialistische Regierung eigentlich vergangenes Jahr versprochen, die Neuverschuldung im kommenden Jahr auf die EU-Grenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung zurückzufahren.

Doch mehr als die 21 Milliarden Euro, die im Budget vorgesehen sind, will Sapin 2015 nicht sparen. "Jetzt Änderungen zu verlangen, hat überhaupt keinen Sinn", stellte der Finanzminister sich im Interview mit der Wirtschaftszeitung "Les Echos" vergangene Woche stur. "Noch nie hat Frankreich so viel gespart", lautet sein Mantra. Doch ob die Summe der EU-Kommission reicht, ist die Frage. Denn seit Jahren überschreitet Frankreich die Defizitgrenze, ein Verfahren läuft seit 2009.

Der sozialistische Präsident François Hollande erbte das Problem bereits von seinen konservativen Vorgängern. Denn ursprünglich war es der konservative Präsident Jacques Chirac, der vor zehn Jahren zusammen mit Bundeskanzler Gerhard Schröder eine Lockerung des europäischen Stabilitätspaktes durchsetzte, da sowohl Deutschland als auch Frankreich ein Defizitverfahren drohte.

Doch während Deutschland es schaffte, das Haushaltsdefizit unter die Drei-Prozent-Marke zu drücken, beruft sich Frankreich weiter auf die Ausnahmen, die seit 2005 im Euro-Pakt vorgesehen sind. Schwaches Wachstum und geringe Inflation führt Sapin als Gründe an, dass Frankreich bis 2017 Defizitsünder bleibt. Doch lässt die EU-Kommission das auch zu? Die Brüsseler Behörde wolle Frankreich zu Nachbesserungen auffordern, schreibt der "Spiegel". "Frankreichs Haushalt muss zurückgewiesen werden, Präsident Hollande muss nachbessern", forderte der Vorsitzende der christdemokratischen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber, in dem Magazin.

Seine harte Haltung dürfte im Sinne von Ländern wie Portugal, Spanien und Irland sein, die bereits drastische Einschnitte vornahmen und ihr Defizit damit drückten. Frankreich ist dagegen von wirklich schmerzhaften Sparmaßnahmen noch weit entfernt. Im üppig ausgestatteten französischen Beamtenapparat sollen 2015 gerade einmal 1200 Stellen wegfallen. Doch der eigentlich reformwillige neue Premierminister Manuel Valls kann auch nicht, wie er eigentlich will. Seine Vorschläge, das Arbeitslosengeld zu reformieren, provozierten eine Welle des Protests. Vor allem der linke Flügel der Sozialisten stemmt sich gegen Sozialabbau und Erleichterungen für Unternehmer, wie sie Hollande Anfang des Jahres in die Wege leitete.

Allerdings dürften gerade die von François Hollande in die Wege geleiteten Reformen der Ausweg für Frankreich sein. Denn nur im Tausch gegen eine klar definierte Reformagenda könnte die Europäische Kommission Paris noch einmal Aufschub gewähren. "Wir brauchen eine verlässliche, vielleicht sogar einklagbare Vereinbarung zwischen Brüssel und Paris", zitiert der "Spiegel" deutsche Regierungskreise.

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Um Frankreich auf dem Reformweg zu helfen, setzte Wirtschaftsminister Gabriel zusammen mit seinem Kollegen Macron vor einer Woche ein deutsch-französisches Expertenteam ein. Der Leiter des Jacques-Delors-Instituts in Berlin, Henrik Enderlein, und der französische Regierungsberater Jean Pisani-Ferry sollen einen "New Deal" für Europa ausarbeiten, "basierend auf einer ehrgeizigen Reformagenda, um die Blockaden aufzuheben und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken". Mitte November soll ihr Bericht vorliegen, der wohl eher ein "New Deal" für Frankreich werden dürfte.

(RP)
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