Referendum in den Niederlanden Populisten feiern den "Anfang vom Ende der EU"

Düsseldorf · Die Niederländer zeigen der EU die Rote Karte. Im Referendum lehnten sie nicht nur mit klarer Mehrheit das Abkommen mit der Ukraine ab, sondern auch vermeintliche Fremdbestimmung aus Brüssel. Rechtspopulisten rütteln jetzt an den Grundfesten Europas.

 Geert Wilders feiert das Ergebnis im EU-Referendum als politischen Aufbruch.

Geert Wilders feiert das Ergebnis im EU-Referendum als politischen Aufbruch.

Foto: dpa, moa

61 Prozent der Niederländer haben im Referendum vom Mittwoch mit "Nee" votiert. Nur formal gesehen richtet sich ihre Entscheidung gegen das EU-Abkommen mit der Ukraine. Schon vor dem Stichtag bekannten Initiatoren wie der Geschichtsprofessor Arjan van Dixhoorn freimütig: "Uns ist die Ukraine völlig egal." So hatten die Volksinitiativen auch zu einem deutlichen Votum gegen die "undemokratische EU" und ihren "Expansionsdrang" aufgerufen.

Das Ergebnis der Abstimmung trifft Europa ins Mark. Die EU steckt ohnehin schon in der größten Krise ihrer Geschichte. Renationalisierung der Interessen, Schengen durch die Flüchtlingskrise auf der Kippe, Großbritannien vor der Abstimmung über den Brexit. Und jetzt auch noch die Niederlande. Kommissionschef Jean-Claude Juncker hatte vor einer "Krise des Kontinents" gewarnt. Jetzt ist sie da.

Die Regierung um Ministerpräsident Mark Rutte hatte um Zustimmung geworben. Derzeit hat sie auch noch den Vorsitz der Ratspräsidentschaft inne. Die Niederlage trifft auch sie persönlich. Doch den Willen der Wähler ignorieren kann und will sie nicht. 32 Prozent der Wahlberechtigten hatten ihre Stimme abgegeben. Damit ist das Referendum gültig. Mindestens 30 Prozent waren dafür nötig.

In einer ersten Stellungnahme kündigte Ministerpräsident Rutte an, die Haltung seiner Regierung überdenken zu wollen: "Wenn das Referendum gültig ist, dann können wir den Vertrag nicht einfach so ratifizieren." Eine Entscheidung soll erst in mehreren Wochen fallen. Zwar hat das Referendum rechtlich keine bindende Kraft. Doch ist kaum anzunehmen, dass die Niederländer dem Abkommen nun ohne Nachverhandlungen zustimmen werden.

Die EU-Gegner reiben sich die Hände. Vorneweg der Rechtspopulist Geert Wilders. Er begrüßte das Ergebnis als "ein Misstrauensvotum gegen die Elite in Brüssel und Den Haag." Bei Twitter bejubelte er den "Anfang vom Ende der EU". Bei seiner Stimmabgabe am Mittwoch hatte er den Tag des Referendums schon als "patriotischen Frühling" der Niederlande bezeichnet.

Aus ganz Europa kamen Glückwünsche aus dem rechtsnationalen Lager. "Bravo Geert Wilders", twitterte die Vorsitzende des französischen Front National, Marine Le Pen. Dies sei ein Schritt in Richtung eines Europa der Nationen.

Nigel Farage, Chef der britischen Ukip, wertete das Ergebnis als Beginn einer dynamischen Gegenbewegung. "Hooray", jubelte er bei Twitter. Das Ergebnis scheine ein "großes Nein" gegen Europa zu sein. Vertreter der niederländischen Initiative GeenPeil hätten angekündigt, die EU-Gegner beim anstehenden Brexit-Referendum zu unterstützen.

Auch in Deutschland ist das Votum Wasser auf die Mühlen der EU-Gegner. AfD-NRW-Chef Marcus Pretzell gratulierte bei Twitter: Die Niederländer hätten einen "weiteren EU-Fehler" verhindert. Damit meint Pretzell offenkundig das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine.

AfD-Vize Beatrix von Storch bedankte sich bei den Niederländern. In ihren Augen soll dieses "Nein" erst der Anfang gewesen sein. Dies sei der Moment, das "EU-Projekt" in allen Mitgliedstaaten zur Abstimmung vorzulegen, fordert sie.

Ihre Ziele decken sich mit dem der anderen Gratulanten in Europa: Weniger Kompetenzen für Brüssel, mehr nationale Entscheidungsfreiheit für die Einzelstaaten. Weniger Integration, zurück zu einem Europa der Nationalstaaten. Aus Sicht der AfD hat sich Europäische Union widerrechtlich Kompetenzen angeeignet, die durch die europäischen Verträge nicht gedeckt sind.

In den Niederlanden kündigten die EU-Gegner nach dem Bekanntwerden des Ergebnisses bereits an, weitere Abstimmungen auf den Weg bringen zu wollen. Etwa "zum Euro und zu den offenen Grenzen". Über Jahrzehnte galt es als ungeschriebenes Gesetz, dass die EU immer enger zusammenwachsen werde. Inzwischen hat die Dynamik der Ereignisse vollends eine andere Richtung eingeschlagen.

(pst)
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