Athen vor der Schicksalswahl Griechen können im Notfall selber Euro drucken

Berlin · Einem Medienbericht zufolge kann das hochverschuldete Griechenland im Notfall Euro-Scheine und Münzen selbst drucken. Unterdessen kann eine neue griechische Regierung einem weiteren Bericht zufolge nicht auf Nachverhandlungen über die Sparauflagen hoffen. Derweil wächst europaweit die Kritik am EU-Krisenmanagement.

Athen vor der Schicksalswahl: Griechen können im Notfall selber Euro drucken
Foto: dpa, Boris Roessler

Wenn der linksradikale Alexis Tsipras am Sonntag die Wahl in Griechenland gewinnen sollte, droht das klamme Land mit einer einseitigen Aussetzung des Sparprogramms. Trotzdem droht den Griechen selbst dann nicht das Ende des Euro. Einem Bericht von "Welt Online" zufolge kann das Mittelmeerland nämlich eigene Euro-Scheine und -Münzen herstellen. Das zumindest sagt der Chef des Centrums für Europäische Politik (CEP), Lüder Gerken, im Gespräch mit "Welt Online".

Bislang wurde europaweit der Eindruck vermittelt, dass die Griechen die Gemeinschaftswährung zurückgeben müssten, wenn sie sich gegen Sparprogramm und Vorgaben aus Brüssel stemmen würden. Dies stimme aber nicht, so Gerken, da juristisch der Ausschluss überhaupt nicht möglich sei. Es gebe nur die Möglichkeit, dass die Griechen freiwillig austreten.

Da das Land aber notfalls selbst Euro-Geld drucken dürfe, hätten die anderen Mitgliedstaaten keinerlei Möglichkeit, Hellas den Geldhahn abzudrehen und auf diesem Weg zum Austritt aus der Union zu zwingen.

Griechische Notenbank kann selber drucken

Laut Gerken hat das EZB-System den nationalen Mitgliedsnotenbanken in der Finanzkrise ein besonderes Instrument an die Hand gegeben: die sogenannte Emergency Liquidity Assistance (ELA). Damit dürfe die nationale Zentralbank, den Geschäftsbanken notfalls Kredite in Euro zu geben, um so die Liquiditätsversorgung im eigenen Land sicherzustellen. Und allein die nationale Zentralbank entscheide, welche Sicherheiten sie dafür akzeptiert. Die griechische Notenbank könnte somit Euro drucken und trotz Staatspleite griechische Anleihen weiter als Sicherheiten annehmen. "Um die griechische Zentralbank daran zu hindern, eigenmächtig Euro zu drucken, bedürfte es einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Notenbanken", sagte Gerken. Es müssten somit zwölf der 17 Euro-Staaten beschließen, dass den Griechen dieses Instrument aus der Hand genommen wird.

Nachverhandlungen nur über Dauer des Sparprogramms

Der Ruf nach einer Nachverhandlung der Sparauflagen war in den letzten Tagen immer lauter geworden. Nun hat Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker klargestellt, dass es prinipiell nur möglich sei, das Sparprogramm zeitlich zu strecken. Dies gelte für jede Regierung, "die sich zur Substanz des Programms bekennt", zitierte der "Focus" eine Stimme aus der Umgebung des luxemburgischen Premierministers. Nur über die Laufzeit könne noch einmal diskutiert werden, nicht über die Inhalte.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) fürchtet dem Bericht zufolge, dass die Krise unbeherrschbar wird, wenn die Griechen eine Sonderbehandlung erfahren. "Dann würden auch Spanien und Italien auf bevorzugte Behandlung pochen", zitierte das Magazin eine Quelle im Kanzleramt.

In der Euro-Gruppe werde damit gerechnet, dass die griechischen Banken nach der Wahl zunächst geschlossen blieben, schrieb "Focus". EU-Finanzexperten rechneten damit, dass die griechische Nationalbank die Banken des Landes dann nicht mehr mit frischem Geld ausstatte, um weitere Kapitalabflüsse zu verhindern.

Die Wahl in Griechenland wird weltweit mit Spannung beobachtet. Erwartet wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der konservativen Nea Dimokratia und dem Linksbündnis Syriza. Während der zur Politik-Elite des Landes zählende Vorsitzende der Nea Dimokratia, Antonis Samaras, die Sparauflagen der internationalen Geldgeber nur nachverhandeln will, verspricht der Syriza-Chef Alexis Tsipras den Griechen, die Vereinbarungen komplett aufzukündigen. Auch er will jedoch an der Gemeinschaftswährung festhalten.

Grobritannien schimpft über Krisenmanagement

Großbritannien hat das Krisenmanagement der Euro-Länder zur Eindämmung ihrer Schuldenprobleme kritisiert. "Es ist ziemlich klar, dass die Euro-Zone nicht in der Lage gewesen ist, dieses Problem zu lösen - und es wird schlimmer", sagte der britische Finanzminister George Osborne am Freitag dem US-Fernsehsender CBS News. Mit der Wahl in Griechenland und den steigenden Zinsen für Spanien sei keine rasche Besserung in Sicht. Mit einer Lösung der Schuldkrise sei in den nächsten Monaten nicht zu rechnen. "Das wird uns den Sommer hindurch begleiten", sagte Osborne.

Die Euro-Schuldenkrise und der Streit um das richtige Krisenmanagement dürften auch den G20-Gipfel am Montag und Dienstag in Mexiko dominieren. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich zuletzt verstärkt gegen Forderungen zur Wehr gesetzt, zur Bekämpfung der Schuldenkrise auch neue Instrumente wie etwa gemeinsame Anleihen der Euro-Länder oder auch einen Schuldentilgunsfonds einzusetzen.

Mit Blick auf die griechische Parlamentswahl am Sonntag warnte Osborne vor den Folgen eines unkontrollierten Austritts des hochverschuldeten Landes aus der Euro-Zone: "Das schlimmste für die Welt wäre ein griechischer Austritt ohne einen Plan, wie man mit den Ansteckungsgefahren umgehen will. Denn das wäre wie Lehman Brothers pleitegehen zu lassen und keinen Plan für den Tag danach zu haben."

Großbritannien ist die größte Volkswirtschaft in Europa außerhalb der Euro-Zone. Die Regierung in London macht die Euro-Schuldenkrise mitverantwortlich für die eigenen Wirtschaftsprobleme. So steckt die britische Wirtschaft das zweite Mal innerhalb von vier Jahren in der Rezession.

Verhofstadt greift Merkel an

Der frühere belgische Regierungschef Guy Verhofstadt das Euro-Krisenmanagement von Europas Politikern rund um Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisiert. "Es wird jeden Tag mehr deutlich, dass die Verschärfung der Krise nicht allein an Griechenland, Portugal oder Spanien liegt, sondern an der Halbherzigkeit der entscheidenden europäischen Politiker", sagte Verhofstadt dem "Kölner Stadt-Anzeiger" vom Samstag. Ohne die Kanzlerin namentlich zu nennen sprach Verhofstadt von einem "unentschlossenen" Vorgehen, dass die Krise in den vergangenen Jahren "noch verschärft" habe.

Verhofstadt war von 1999 bis 2008 Premierminister in Belgien, er ist derzeit Chef der Liberalen-Fraktion im Europaparlament. Vor der mit Spannung erwarteten Wahl am Sonntag in Griechenland warnte Verhofstadt vor einem Ausweiten der Krise auf andere Länder wie Spanien und Italien. "Wir haben keine ausreichende Maßnahme getroffen, um ein Übergreifen der Euro-Krise zu verhindern. Die sogenannte Brandmauer wird wenig nützen, um den Euro zu bewahren", sagte er.

Verhofstadt forderte eine engere Verzahnung der europäischen Politik. Europa brauche eine Bankenunion, eine Fiskalunion und eine Politische Union. "Wenn wir das nicht schaffen, wird es ernst. Es gibt Staaten, die ohne eigene Währung bestehen. Aber es gibt keine Währung, die ohne staatliche Strukturen besteht", sagte der Liberale. Notfalls müssten integrationswillige Länder vorangehen. "Wir müssen Europa voranbringen - mit denen die wollen", sagte Verhofstadt.

(dpa/AFP/dapd/RTR)
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