Tsipras in Brüssel In der Griechenland-Frage heißt es mal wieder: Zeit gewinnen

Athen/Brüssel · Ohne Hilfen droht Griechenland in wenigen Tagen die Zahlungsunfähigkeit. Eine Lösung muss gefunden werden. Nähern sich Athen und die Gläubiger an?

 Das hatten sie sich offenbar noch lieb: Dieses Foto von Tsipras und EU-Kommissionschef Juncker stammt vom 22. Mai. Mittlerweile suchen die beiden wieder händeringend nach einer Lösung für Griechenlands Finanznot.

Das hatten sie sich offenbar noch lieb: Dieses Foto von Tsipras und EU-Kommissionschef Juncker stammt vom 22. Mai. Mittlerweile suchen die beiden wieder händeringend nach einer Lösung für Griechenlands Finanznot.

Foto: ap

Angesichts akuter Geldnot in Athen werden im griechischen Schuldendrama nun Zwischenlösungen debattiert, um Zeit zu gewinnen. Alle Optionen lägen auf dem Tisch, hieß es am Mittwoch in Brüssel aus EU-Kreisen. Noch am Abend wollte der griechische Regierungschef Alexis Tsipras mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker über einen Weg aus der Finanzkrise für das pleitebedrohte Land sprechen. Nach Angaben von Diplomaten wurde zu dem Treffen in Brüssel auch Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem erwartet.

Es gehe etwa darum, die im Juni fälligen Kreditraten von insgesamt fast 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zusammenzufassen und sie erst am Monatsende von Athen zu verlangen. Eine andere Möglichkeit sei ein Verlängern des Ende Juni auslaufenden Hilfsprogramms über den Sommer hinweg. Bei einem nochmaligen Aufschub müssten die Eurogruppe und beteiligte Parlamente in den Eurostaaten, also auch der Deutsche Bundestag, zustimmen.

Am Freitag muss Athen 305 Millionen Euro zahlen

"Es geht ums Ganze", titelte das Athener Boulevardblatt "Ethnos". Viel Zeit bleibt Athen angesichts leerer Kassen nicht mehr. Ohne weitere Hilfen könnte Griechenland in wenigen Tagen zahlungsunfähig sein. Die erste Zahlung an den IWF steht bereits am Freitag an, dann sind rund 305 Millionen Euro fällig. Athen muss zusätzlich im laufenden Monat fällige Staatsanleihen von gut 5 Milliarden Euro bedienen.

Griechenland habe einen Reformplan vorgelegt, der einen für alle Seiten "ehrenhaften Kompromiss" ermöglichen werde, sagte Tsipras vor seinem Abflug. Auch die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank (EZB) und der IWF haben sich auf ein gemeinsames Angebot an Athen verständigt. Beide Vorschläge sollen nun abgeglichen werden.

Worterklärungen in Griechenlands Schuldenkrise
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Foto: dapd, Michael Gottschalk

Deutschland und Frankreich suchen nach Angaben von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Hochdruck nach einer Lösung der Griechenland-Krise. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) beurteilt den Kompromissvorschlag Athens allerdings skeptisch. Er könne den Optimismus der griechischen Regierung über eine mögliche Einigung nach wie vor nicht teilen, sagte Schäuble in Berlin. Was er bisher über das Vorschlagspapier aus Athen gehört habe, ändere an dieser Aussage nichts: "Es bestätigt sie eher."

EZB: Grexit ist keine Option

Juncker sagte bei einer Veranstaltung: "Ich habe noch einige Probleme zu lösen in Zusammenhang mit dem, was man den griechischen Fall nennt." Sein Sprecher betonte, bei dem Treffen werde keine Einigung über den Abschluss des Hilfsprogramms für Athen erwartet. Diese Vereinbarung ist Voraussetzung für die Auszahlung neuer Milliardenhilfen der Geldgeber an das pleitebedrohte Land. "Es wird nicht verhandelt werden. Es geht um eine Bestandsaufnahme."

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Die EZB geht fest von einem Verbleib Griechenlands im Euroraum aus. "Es gibt einen großen Willen und eine starke Entschlossenheit, dass wir am Ende ein gutes Ergebnis finden. Daran arbeitet die EZB und daran arbeiten auch die EU-Kommission und der IWF", sagte Notenbank-Präsident Mario Draghi in Frankfurt.

In der Nacht zum Dienstag hatten Kanzlerin Merkel und Frankreichs Staatschef François Hollande mit Juncker und IWF-Chefin Christine Lagarde sowie Draghi in Berlin einen Kompromiss ausgelotet. Details ihres "allerletzten Angebots" wurden nicht genannt.

"Von Reformdruck kann keine Rede sein"

EU-Vizeparlamentspräsident Alexander Graf Lambsdorff (FDP) warnte vor einer Aufweichung des Kurses gegenüber Athen. Das neue Angebot der Geberländer enthalte weniger ehrgeizige Haushaltsziele, als im letzten Hilfspaket vereinbart wurde. Von Reformdruck in Bezug auf solide öffentliche Finanzen könne keine Rede mehr sein.

Nach Informationen der Tageszeitung "Die Welt" (Donnerstag) bewegen sich die Gläubiger im Schuldenstreit auf Griechenland zu. So forderten die Institutionen bei den Renten nur noch Kürzungen in Höhe von einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Zuvor hatten sie noch Einsparungen in Höhe von 1,5 Prozent verlangt.

Tsipras soll nach griechischen Medienberichten bereits ein ganzes Stück von seinen Wahlversprechen abgerückt sein. Unter anderem lehnt er Privatisierungen nicht mehr ab. Eine umstrittene Immobiliensteuer soll entgegen seinen Wahlversprechen bleiben. Zudem soll es eine umfangreiche Mehrwertsteuerreform mit mehr als einer Milliarde Euro Mehrbelastungen für die Bürger geben.

(dpa)
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