Griechenland-Krise Lagarde und Merkel ringen um Schuldenerlass

Berlin · Die Kanzlerin und die Chefin des Währungsfonds haben unterschiedliche Auffassungen in der Griechenland-Krise. Der IWF drängt auf einen Schuldenerlass der Europäer, Merkel pocht auf Umsetzung der Reformen.

 Christin Lagarde und Angela Merkel.

Christin Lagarde und Angela Merkel.

Foto: dpa, rje gfh

Christine Lagarde, die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vertreten unterschiedliche Standpunkte, wenn es um einen Schuldenerlass für Griechenland geht. Trotzdem ist Lagarde voll des Lobes für Merkel in der Flüchtlingskrise. "Ich möchte Bundeskanzlerin Merkel und den Deutschen meine Hochachtung aussprechen dafür, dass sie bei dieser schwierigen Herausforderung die Führungsrolle übernommen haben", sagte Lagarde am Dienstag in einer Rede an der Universität Frankfurt. Sie habe den Respekt, den die Welt Deutschland für seinen "zutiefst humanistischen Ansatz in der Flüchtlingskrise entgegenbringt, aus erster Hand erfahren". Das werde in die Geschichte eingehen.

Ob Merkel auch bei der Bewältigung der europäischen Schuldenkrise Historisches geleistet hat, entscheidet sich möglicherweise in diesem Sommer. Dann wird Griechenland erneut Milliarden-Kredite zurückzahlen müssen, und die Befürchtungen wachsen, dass es dazu nicht in der Lage sein wird. Lagarde vertritt hier eine pessimistische Sicht der Dinge. Die IWF-Chefin steht intern unter Druck, weil sie das Geld des Fonds an ein Land mitten in Europa statt in ärmere Regionen der Welt gibt, ohne dass dieses Land die vereinbarten Bedingungen erfüllt, die es wieder wettbewerbsfähiger machen sollen.

Lagarde drängt Merkel auch deshalb, einem Schuldenschnitt der Europäer für Griechenland zuzustimmen. Doch die Kanzlerin ist dazu nicht bereit. Ein Schuldenschnitt durch die Euro-Länder sei "schlicht und ergreifend nach unserer Auffassung rechtlich nicht möglich", sagtesie nach einem Treffen mit Lagarde und den Spitzen anderer Finanz- und Wirtschaftsorganisationen.

Privatisierungen im Umfang von 50 Milliarden Euro gefordert

In Berlin ist man überzeugt, dass Reformen in Griechenland nur unter größtem Druck beschlossen und – wichtiger noch – auch umgesetzt werden. Deshalb pochte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zu Beginn der Woche auf die vereinbarte Schrittfolge: Erst die Reformen, dann möglicherweise weitere Schuldenerleichterungen.

Auf einem EU-Gipfel Mitte 2015 hatten die Europäer ein drittes Hilfspaket im Umfang von 86 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Griechenland willigte im Gegenzug in einem Memorandum of Understanding (MoU) in weitere Reformen ein. Dazu gehörten unter anderem eine Rentenreform mit dem Ziel, die Finanzlast der Renten für den Staatsetat spürbar zu reduzieren, der Abbau von Steuervergünstigungen für Landwirte und Privatisierungen von Staatseigentum im Umfang von 50 Milliarden Euro.

Vor allem Berlin hatte im MoU den 50-Milliarden-Fonds aus Privatisierungseinnahmen durchgesetzt. "Dieses MoU gilt selbstverständlich unverändert fort", sagte ein Sprecher des Finanzministeriums. Der griechische Wirtschaftsminister Giorgos Stathakis erklärte dagegen, Athen werde allenfalls 15 Milliarden Euro zusammenbringen. Am Ende könnten es auch nur fünf bis sechs Milliarden sein. Bislang seien erst Einnahmen von 2,5 Milliarden Euro erzielt worden. Berlin könnte sich allerdings doch noch gesprächsbereit zeigen. Denn von den 50 Milliarden Euro sollten 25 zur Rückzahlung von Mitteln verwendet werden, die EU-Rettungsschirme zur Rekapitalisierung griechischer Banken eingesetzt haben. Tatsächlich wurden dafür jedoch bisher nur 5,4 Milliarden Euro gebraucht, so dass weniger als 25 Milliarden Euro benötigt werden.

Spitzenökonomen stützen Merkels Griechenland-Kurs

Der Wirtschaftsweise Lars Feld unterstützte den Kurs Merkels. "Die Bundesregierung tut gut daran, sich nicht auf Schuldenerleichterungen einzulassen, bevor nicht die zugesagten Reformen umgesetzt sind", sagte Feld. "Die großen Brocken - Rentenreform, Steuervergünstigungen für Landwirte und Privatisierung – hat die griechische Regierung nicht angepackt." Die Regierung Tsipras "pokert jetzt noch einmal stärker als im vergangenen Jahr, vor allem bei den Themen, bei denen sie sich mit Blick auf ihre Wählerklientel in die Nesseln setzen könnte", sagte Feld.

(mar)
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