Schuldenkrise in Griechenland Lagarde contra Merkel

Berlin · Die Chefin des Internationalen Währungsfonds will die Kanzlerin zum Schuldenerlass für Griechenland zwingen. Für Merkel ein rotes Tuch.

Das ist Christine Lagarde
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Das ist Christine Lagarde

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Christine Lagarde ist charmant, umgänglich und wortgewandt in mehreren Sprachen. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) hat viele Fans in den Reihen ihrer meistens männlichen Gesprächspartner - allen voran Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der in Gegenwart der eleganten Französin sein grantelndes Wesen stets komplett vergisst. Doch Lagarde verbirgt hinter dieser imposanten Fassade eine andere Seite: Sie ist auch entschieden, geschickt und durchsetzungsstark. Die frühere Chefin einer internationalen Anwaltskanzlei führt nicht nur die mächtige Washingtoner Institution mit einer gewissen Härte, sie mischt auch in der internationalen Politik entscheidend mit.

Mit Angela Merkel hat Lagarde gemeinsam, dass man sie nicht unterschätzen darf. Nun kommt es spätestens im Herbst zu einer Kraftprobe dieser beiden einflussreichen, völlig unterschiedlichen Frauen. Lagarde will die Bundeskanzlerin zwingen, ihren Widerstand gegen einen Schuldenerlass für Griechenland aufzugeben. Ohne neue Schuldenerleichterungen der Europäer werde sich der IWF nicht mehr an weiteren Hilfskrediten für Griechenland beteiligen, lautet die klare Botschaft Lagardes, die sie bereits vor dem Euro-Gipfel Mitte Juli immer wieder vorgebracht hatte. Merkel war es lediglich gelungen, diese schon seit Wochen unverrückbare Position Lagardes zu überlagern durch ihre frohe Botschaft, dass der Grexit vermieden worden sei.

Das A und O der Griechen-Krise
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Foto: afp, lg/JH

Nach der IWF-Analyse wird Griechenland beim besten Willen nicht in der Lage sein, seine Schuldenlast mit eigener Kraft abzutragen. Die Verschuldung werde in den kommenden zwei Jahren 200 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreichen, weil Athen Reformen zurückgedreht und sich die Rezession vertieft habe, warnt der IWF. Vor einem Jahr sei das noch anders gewesen, nun aber sei der Schuldenerlass unumgänglich, wenn das Land weiter im Euro gehalten werden solle.

Wie Europa Athen unter die Arme greifen wolle, bleibe ihm selbst überlassen, sagt Lagarde, die frühere französische Finanzministerin. Dies könne über direkte Transfers oder einen Schuldenschnitt oder durch die Aussetzung der Schuldenrückzahlung für weitere 30 Jahre geschehen. Die Euro-Staaten könnten dann erst ab Mitte des Jahrhunderts mit Rückzahlungen rechnen. Lagardes Motiv: Sie muss sicherstellen, dass der IWF jeden alten und neuen Kredit pünktlich zurückerhält, sonst wackelt nämlich sie selbst. Wegen ihrer großzügigen Gaben an den vermeintlichen Industriestaat Griechenland steht sie längst massiv in der Kritik ärmerer IWF-Mitglieder.

Für Merkel dagegen ist ein Schuldenerlass noch ein rotes Tuch, weil er die Unterstützung in der Bevölkerung und in der Unionsfraktion für ihren Griechenland-Kurs gefährdet. Schon im Februar hatten über 100 Unionsabgeordnete ihre Bedenken gegen weitere Hilfen zu Protokoll gegeben. Und Mitte Juli waren ihr bei der Abstimmung über die Aufnahme von Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket 65 Abgeordnete nicht gefolgt - so viele wie noch nie.

Grexikon – das griechische Schuldendrama von A bis Z
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Foto: Phil Ninh

Allerdings weiß auch Merkel, die sich immer akribisch in jedes kleine Detail hineinarbeitet, dass sich die Krise ohne Schuldenerlass weiter vertiefen und verlängern wird, weil das Land dann keine Chance hat, zu den dringend benötigten Investitionen und Wachstum zu kommen. Noch zögert Merkel ihr Ja hinaus. Sie will damit auch mehr Beweglichkeit der Griechen während der Verhandlungen über die Bedingungen für das Hilfspaket erzwingen, die gestern in Athen in die heiße Phase gingen und Mitte August beendet werden sollen.

Merkel kann aber auch nicht riskieren, dass der IWF bei Griechenland herausfällt - zumal er auch einen maßgeblichen Teil der Hilfskredite beisteuert. Schon im Gipfel-Beschluss von Mitte Juli hatte sie daher einen Passus nicht verhindert, in dem die Geldgeber Griechenland "zusätzliche Maßnahmen" wie längere Rückzahlungsfristen in Aussicht stellen, wenn es dafür Bedingungen erfüllt. Merkel selbst hatte den IWF zu Beginn der Griechenland-Krise an Bord geholt, gegen den Willen ihres Finanzministers, der lieber einen eigenen europäischen Währungsfonds zimmern wollte. Nun hat sie ihre liebe Mühe mit den Geistern, die sie damals rief.

(mar)
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