Schuldenkrise in Griechenland Unterschrift in letzter Sekunde?

Brüssel · Im Hellas-Drama scheint an diesem Dienstag alles möglich. Sogar ein spontaner Flug von Ministerpräsident Alexis Tsipras nach Brüssel, um in letzter Sekunde das Angebot von Jean-Claude Juncker anzunehmen. Die Börsen sind in heller Aufruhr.

 Doch noch Hoffnung? Alexis Tsipras, Jean-Claude Juncker.

Doch noch Hoffnung? Alexis Tsipras, Jean-Claude Juncker.

Foto: dpa, sh

Seit Samstag schien die Pleite Griechenlands besiegelt. Auch am Dienstag bestätigt Finanzminister Giannis Varoufakis, man werde die heute fällige IWF-Rate nicht bezahlen.

Berichte von einem allerletzten Angebot Jean-Claude Junckers lösten überwiegend Skepsis aus. Eine Kehrtwende Athens erschien sehr unwahrscheinlich, hatte die Regierung Tsipras doch schon für das Referendum am Sonntag alles in die Waagschale geworfen, um die Bevölkerung von einem Nein zu überzeugen.

Doch sowohl in Athen als auch unter den Anlegern wird eine Rettung in letzter Sekunde nicht ausgeschlossen. Zwischen diesen beiden Extremen schwankte die Stimmung der Anleger am Dienstag. Fast im Minutentakt schlugen Dax und EuroStoxx50 abhängig von der Nachrichtenlage in die eine oder andere Richtung aus.

Einem griechischen Regierungsvertreter zufolge arbeitet Griechenland mit seinen Geldgebern an einer Lösung des Streits um die Bedingungen für weitere Finanzspritzen. Die griechische Zeitung "Kathimerini" berichtete, Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras ziehe ein Last-Minute-Angebot von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Betracht.

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"Die Hoffnung auf ein Aufwachen in Athen waren ohne Substanz"

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Um eine Staatspleite abzuwenden, soll Tsipras nach Aussagen von EU-Insidern die jüngsten Reform- und Spar-Vorschläge der Geldgeber schriftlich annehmen und sich für ein "Ja" bei dem geplanten Referendum einsetzen.

Wie der "Tagesspiegel" berichtet, wird in Athen längst nicht mehr ausgeschlossen, dass Ministerpräsident Tsipras am Abend noch in den Flieger steigt und in Brüssel ein mögliches Abkommen unterzeichnet. Der "Tagesspiegel" beruft sich dabei auf Informationen aus griechischen Regierungskreisen. Demnach gibt es wieder Bewegung im Hinblick auf eine Umschuldung oder gar einen Schuldenschnitt.

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Die Uhr tickt unerbittlich

Aus Brüssel hieß es am Dienstag, die geforderte Zusicherung von Tsipras zum Sparpaket müsse an die Präsidenten der EU-Kommission und der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker und Jeroen Dijsselbloem, sowie an Bundeskanzlerin Angela Merkel und den französischen Staatspräsidenten François Hollande gehen.

Börsianer äußerten sich aber skeptisch. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Tsipras so eine Kehrtwende macht", sagte einer von ihnen. Die Experten des Vermögensverwalters BNP Paribas Investment Partners setzten ihre Hoffnung dagegen darauf, dass die Griechen bei der Abstimmung am kommenden Sonntag für eine Annahme der Gläubiger-Vorschläge stimmen. Bis dahin müsse aber mit größeren Kursausschlägen gerechnet werden.

Ohne Einigung steht Griechenland vor dem Bankrott, weil es eine 1,6 Milliarden Euro schwere Rate an den Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht zahlen kann. "Das ist zwar de jure noch kein Zahlungsausfall im Sinne der Ratingagenturen, aber ein großer Schritt hin zur Staatspleite", betonte LBBW-Analyst Berndt Fernow. Die Rating-Agentur Fitch wertet die derzeitigen Kapitalverkehrskontrollen in Griechenland bereits als "begrenzten Zahlungsausfall" der Großbanken.

In der Nacht zu Mittwoch ist Schluss

Die griechischen Regierungsvertreter hatten die Verhandlungen über das Paket am vergangenen Freitag unmittelbar vor der Ankündigung der Volksabstimmung verlassen. Die EU-Institutionen waren von der Referendums-Ankündigung überrascht worden. Für besondere Verärgerung sorgte die Ansage von Tsipras, seinen Landsleuten eine Ablehnung des Sparpakets zu empfehlen.

Juncker hatte am Montag gesagt: "Es ist nicht so, dass wir endgültig in einer Sackgasse feststecken würden. Aber die Zeit wird immer knapper." Der Kommissionschef habe Tsipras telefonisch einen möglichen Ablauf für eine Lösung erläutert, hieß es aus EU-Kreisen.

In der Nacht zum Mittwoch läuft das Hilfsprogramm für Griechenland auf europäischer Seite aus. Noch bereitstehende Milliardenhilfen für Athen verfallen deshalb. Die Euro-Finanzminister hatten am vergangenen Samstag beschlossen, dem griechischen Vorschlag einer Verlängerung des Hilfsprogramms über den 30. Juni hinaus nicht zu folgen. Da die Kassen in Athen leer sind, droht die Staatspleite.

Wie eine Einigung organisiert werden kann, bleibt unklart

Offen blieb, wie ein Kompromiss der letzten Minute mit Athen aussehen könnte. Selbst wenn die Eurogruppe noch vor Ende des Hilfsprogramms eine Verlängerung billigen sollte, könnten Parlamente in Eurostaaten - also auch der Deutsche Bundestag - nicht fristgerecht zustimmen.

Insbesondere aus dem Europaparlament steigt der Druck, in der Krise auf europäische Seite zu handeln. Parlamentspräsident Martin Schulz hatte im Namen der Vorsitzenden aller Fraktionen die EU-Staaten aufgefordert, "eine Brücke" zwischen dem Auslaufens des Programms und Sonntagabend zu finden, wenn das Ergebnis der Volksabstimmung feststeht. Einen konkreten Plan dafür legt der SPD-Europapolitiker aber nicht vor.

Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras zieht das Last-Minute-Angebot einem Medienbericht zufolge zumindest in Betracht. Tsipras habe in Brüssel erklären lassen, dass er Junckers jüngsten Vorschlag prüfe, berichtete die griechische Tageszeitung "Kathimerini" am Dienstag.

(dpa REU)
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