Athen Sparpaket spaltet Griechen

Athen · Ministerpräsident Tsipras stößt auf große Widerstände im linken Partei-Bündnis Syriza, es gibt Krawalle. Zugleich zieren sich die Geldgeber, Athen einen Brückenkredit von zwölf Milliarden Euro zu geben.

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Foto: dpa/Gregor Fischer

Der Reformkompromiss mit der Euro-Zone treibt einen tiefen Keil in die griechische Regierung. Vor dem ersten Parlamentsvotum gestern Abend signalisierte der linksradikale Flügel der Fraktion heftigen Widerstand gegen den Kurs von Ministerpräsident Alexis Tsipras. Auf den Straßen demonstrierten Tausende Apotheker und Beamte gegen eine Fortsetzung des Reform-Kurses. Am Abend kam es zu schweren Krawallen vor dem Parlament im Zentrum Athens.

Eine Parlamentsmehrheit in Athen galt vor der geplanten Abstimmung in der Nacht zu heute als sicher. Doch Ministerpräsident Alexis Tsipras sah sich mit Abweichlern im Regierungslager und einem prominenten Rücktritt konfrontiert. Vize-Finanzministerin Nadja Valavani nahm aus Protest gegen die harten Einschnitte ihren Hut: "Alexis, ich kann nicht mehr weitermachen", schrieb sie Tsipras.

Der griechische Premier drohte indes selbst mit Rücktritt, sollten zu viele seiner Anhänger gegen ihn stimmen: "Wenn ich eure Unterstützung nicht habe, dann wird es für mich schwierig, auch morgen Regierungschef zu bleiben", sagte Tsipras laut Teilnehmern in einer Fraktionssitzung.

Das vier Milliarden Euro schwere Sparpaket, für das sich Tsipras trotz eigener Vorbehalte stark gemacht hatte, umfasst vor allem höhere Mehrwertsteuern und Zusatzabgaben für Freiberufler sowie Besitzer von Luxusautos, Häusern und Jachten. Ebenfalls enthalten: ein nahezu vollständiger Stopp aller Frühverrentungen.

Beobachter rechneten damit, dass Tsipras Regierungsmitglieder entlassen könnte, die gegen das Reformpaket stimmen. Bei einer Annahme des Sparpakets will Tsipras vorerst auf Neuwahlen verzichten und notfalls mit einer Minderheitsregierung und Duldung der Opposition weiterregieren, bis ein neues Milliarden-Paket des Euro-Rettungsschirms ESM unter Dach und Fach ist. Dann könnte er sich mittels Neuwahlen ein frisches Mandat sichern.

Um Athens laufenden Finanzbedarf bis zum Start eines möglichen ESM-Programms zu decken, schlug die EU-Kommission gestern einen Überbrückungskredit von sieben Milliarden Euro vor. Die Nothilfe soll eine Laufzeit von drei Monaten haben und aus einem schon länger bestehenden Rettungstopf aller EU-Staaten (EFSM) kommen. Weil sich einige Geberländer wie Großbritannien, Schweden und Tschechien "große Sorgen" um ihr Geld machen, verhandelt die EU-Kommission über weitere Garantien. Bis Mitte August benötigt Griechenland rund zwölf Milliarden Euro, um laufende Rechnungen zu begleichen. Schon am Montag muss Athen 3,5 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank (EZB) zahlen, beim Internationalen Währungsfonds (IWF) ist die Regierung ohnehin schon im Zahlungsrückstand. Ohne Rückzahlung müsste die EZB ihre Notkredite für Griechenlands Banken einstellen, das labile Finanzsystem des Landes würde wohl endgültig kollabieren. Finanzminister Euklid Tsakalotos bemühte sich, die Kabinettsvorlage für die Abgeordneten zu verteidigen: "Wir haben von unseren Partnern wesentlich stärkere Zusicherungen erhalten in Hinblick auf eine künftige Umstrukturierung der griechischen Schulden."

Zwar sind gut 70 Prozent der Griechen laut einer Umfrage für die Billigung des Sparpakets. Ein Teil der Staatsbediensteten hat indes genug vom Kürzungsdiktat - und trat gestern in einen 24-stündigen Streik, dem sich auch das Personal staatlicher Krankenhäuser, Metro-Bedienstete und Eisenbahner anschlossen.

(mar)
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