Griechenland-Krise Wie US-Topökonomen die Politik der Troika kritisieren

Athen/Brüssel · Das Hilfsprogramm für Griechenland ist ausgelaufen, der Schuldenstreit zwischen Athen und der EU zuletzt eskaliert. Das ist wird nicht nur in Europa mit Sorge wahrgenommen, sondern auch bei US-Topökonomen. Und diese kritisieren insbesondere das Agieren der Gläubiger in Brüssel.

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Gleich mehrere Top-Ökonomen aus den USA hatten sich am Wochenende in Zeitungen oder Blogs zur griechischen Schuldenkrise geäußert — und lassen auch an der Verhandlungstaktik der vormaligen Troika aus EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) kaum ein gutes Haar. Barry Eichengreen, Wirtschaftsprofessor an der Universität von Kalifornien, etwa spricht in einem Artikel von "politischer Inkompetenz".

In einem Beitrag für "The Conversation" schrieb der Professor am Montag: "Viele von uns haben bezweifelt, dass es dazu kommen würde (Austritt aus dem Euro, Anmerk. d. Red.). Insbesondere ich habe bezweifelt, dass es so kommen würde." Er habe vor einigen Jahren Szenarien zum Austritt aus der Eurozone analysiert und daraus geschlossen, dass dies nicht möglich sei. Nun müsse er sich relativieren.

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Er stehe weiterhin zu seinen ökonomischen Argumenten, allerdings habe er die Rolle der Politik unterschätzt. "Insbesondere habe ich das Ausmaß politischer Inkompetenz unterschätzt — nicht nur die der griechischen Regierung, sondern noch mehr die seiner Gläubiger", so Eichengreen.

Wenig Verständnis für das Agieren der Gläubiger hat auch der US-Ökonom Jeffrey Sachs. In einem Gastbeitrag für den britischen "Guardian" verglich er am Wochenende die jetzige Situation in Griechenland mit der Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg und fordert gerade von den Deutschen, die sagten 'Schulden sind Schulden', mehr Verständnis. "Sie sollten sich die Erleichterungen in Erinnerung rufen, die ihnen durch den Marshall-Plan und das Londoner Abkommen von 1953 bezüglich seiner Schulden gegeben wurden", schreibt Sachs.

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Auch damals sei nicht die Frage gewesen, ob Deutschland das verdient habe, sondern es ging darum, dass das Land einen Neustart brauchte, um seine Wirtschaft und demokratische Strukturen aufzubauen. "Der erste Schritt ist es, das Leid zu stoppen", schreibt Sachs, der für einen Schuldenschnitt plädiert. "Ein Schuldenschnitt wird Griechenlands wirtschaftliche Probleme nicht lösen, aber es würde die Tür für eine Lösung öffnen", so der Ökonom.

Der linke US-Ökonom Paul Krugman wiederum kritisierte am Wochenende in seinem Blog für die "New York Times" die EU. Sie trage die Schuld an der "destruktiven Austerität" in Griechenland. Auch wenn er zugibt, dass Griechenland über seine Verhältnisse gelebt hat.

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Foto: dpa, sp ase tba

Und er verteidigt das von Regierungschef Alexis Tsipras ausgerufene Referendum als den richtigen Weg. Denn nur so könnten die Wähler selbst entscheiden, ob sie sich weiter gegen Sparmaßnahmen sperren und damit gegen die Eurozone stellen oder ob ihnen der Euro doch wichtiger ist. Krugman selbst würde den Griechen, so schreibt er, ein "Nein" empfehlen.

Der US-Ökonom Joseph E. Stiglitz dagegen schrieb am Montag in einem Beitrag für "Project Syndicate", dass es schwer sei, den Griechen einen Rat zu geben, wie sie beim Referendum abstimmen sollten. Denn "keine der beiden Alternativen (...) wird einfach, und beide sind mit enormen Risiken behaftet". Auch er kritisiert insbesondere die Gläubiger. Seiner Ansicht nach habe die Eskalation der Verhandlungen gezeigt, dass es "viel mehr als um Geld und Wirtschaft" um "Macht und Demokratie" gehe.

"Mir fällt kein Fall ein, in dem eine Depression jemals derart vorsätzlich herbeigeführt wurde und derart katastrophale Folgen hatte", schreibt er in Bezug auf die Wirtschaftsstrategie des Rettungsprogramms. "Es ist alarmierend, dass die Troika sich weigert, irgendeine Verantwortung hierfür zu übernehmen oder zuzugeben, wie falsch ihre Prognosen oder Modelle lagen."

Und dann stellt Stiglitz noch die Frage, ob es beim europäischen Projekt nicht um Demokratie gehe, um dann ernüchtert festzustellen, dass das, "was wir heute erleben (...) das Gegenteil von Demokratie" sei: "Viele führende europäische Politiker wünschen sich das Ende der linksgerichteten Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras", schreibt er und fügt noch hinzu: "Sie scheinen zu glauben, dass sie letztlich den Sturz der griechischen Regierung herbeiführen können, indem sie sie durch Druck dazu bewegen, eine Übereinkunft zu akzeptieren, die ihrem Wählerauftrag widerspricht."

(das)
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