EU-Kommissar Günther Oettinger im Kreuzverhör

Brüssel · Der "digital Naive" kündigt bei seiner Anhörung in Brüssel den digitalen europäischen Binnenmarkt an.

So spottet das Netz über die Personalie Günther Oettinger
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Foto: dpa, jw lb lof tba

Er sitzt auf dem Podest im Saal 402 des Europaparlaments und beantwortet Fragen im Minutenrhythmus. So wie vor knapp fünf Jahren — selber Raum, bekannte Gesichter. Doch Günther Oettinger ist ein anderer: Baden-Württembergs Ex-Ministerpräsident ist in Brüssel kein unbeschriebenes Blatt mehr. Nun redet da einer, der als Kommissar zum Missfallen vieler Grüner ordnungspolitisch Kante bei der Förderung erneuerbarer Energien gezeigt und erst am Freitag den Gas-Deal zwischen Russen und Ukrainern eingefädelt hat.

Auf die leichte Schulter hat Oettinger die Anhörung dennoch nicht genommen. Er weiß, dass die Parlamentarier in der Vergangenheit zwei Anwärter nach Hause geschickt haben. Und die designierte Handelskommissarin Cecilia Malmström, vor ihm an der Reihe, sorgte für Verwirrung, da sie in Bezug auf die USA-Handelsgespräche einen kleinen Rückzieher gegenüber Zusagen vom Wochenende machte. Die Niederländerin Neelie Kroes schließlich bekam ein zweites Kreuzverhör verordnet.

Zeit zur Vorbereitung, obwohl vorgewarnt, hat der Deutsche kaum gehabt. Papiere gelesen hat er im Auto oder Flieger auf dem Weg zurück aus Kiew und Berlin, wo die Basis gelegt wurde, um die Ukraine über den Winter zu bringen. Am Mittwoch gab es dann doch ein Loch im Terminkalender — von 22 Uhr bis Mitternacht —, um das Frage-Antwort-Spiel zu trainieren. Oettinger gegenüber saßen dabei die Spitzen der 1500 Mitarbeiter starken Fachabteilung, die ihn zur digitalen Zukunft löcherten. Die Übung wiederholte sich Samstag.

Die Abgeordneten nämlich wollen vor allem eines wissen: Kann der 60-Jährige, der nach seiner Nominierung bekannt hat, "kein Digital Native" (etwa: mit digitalen Medien Aufgewachsener) zu sein, und daraufhin als der "digital Naive" verspottet wurde, es auch mit Bits und Bytes? Der Grüne Reinhard Bütikofer etwa rät ihm noch am Tag der Anhörung, "ein Praktikum beim Chaos-Computer-Club zu machen".

Um die Kritiker zu überzeugen, greift Günther Oettinger dann auf seine baden-württembergische Vergangenheit zurück: "Ich kenne die verschiedenen Interessengruppen in diesem Sektor gut." Zudem hätten mit IBM, Hewlett-Packard und SAP viele IT-Riesen ihren Sitz im Südwesten: "Der Wohlstand dieser Region hängt stark von der Interaktion digitaler und nicht-digitaler Unternehmen ab."

Und der Schwabe kündigt den Abgeordneten ein wahres Reformfeuerwerk an. Das Digitale soll Teil des 300-Milliarden-Investitionspakets werden, das Kommissionschef Jean-Claude Juncker in den ersten drei Monaten seiner Amtszeit präsentieren will. Im ersten Halbjahr will Oettinger ehrgeizige Pläne für einen digitalen Binnenmarkt vorlegen, danach soll das heikle Thema einer Urheberrechtsreform angepackt werden.

(RP)
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