Pressestimmen zu Griechenland "Die Hoffnung auf ein Aufwachen in Athen waren ohne Substanz"
Die Zuspitzung in der Griechenland-Krise und das angekündigte Referendum der griechischen Regierung haben viele Tageszeitungen kommentiert. Ein Blick in die Meinungsspalten.
Rheinische Post: "Warum soll das griechische Volk nicht über sein Schicksal entscheiden? Jüngste Umfragen zeigen, wie pro-europäisch viele Griechen denken. Sie sind offenbar bereit für den Euro, für Europa einen harten Sanierungskurs zu ertragen. Wer eine Volksbefragung zu den Reformplänen der Troika ablehne, lasse jene Werte degenerieren, die in der Idee Europas verkörpert sind, hatte der verstorbene FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher 2011 geschrieben."
Kölner Stadtanzeiger: "Dieser griechischen Regierung mangelt es am europäischen Geist. Zu keinem Zeitpunkt wollte sie das Schuldenproblem ihres Landes gemeinsam mit den anderen europäischen Regierungen lösen, sondern immer gegen sie. Die Verantwortung für die Eskalation trägt also Alexis Tsipras selbst. Gescheitert ist aber auch Merkels Euro-Politik. In Griechenland haben fünf Jahre Rettungsversuche, zwei milliardenschwere Hilfsprogramme, ein Schuldenschnitt und enorm teure Nothilfen der Europäischen Zentralbank nichts bewirkt, alles wurde schlimmer. Gescheitert ist die Politik des Durchwurstelns, das zu Merkels Markenzeichen wurde. Die Bilanz dieser Griechenland-Politik ist eine Bilanz des Grauens."
Ostthüringer Zeitung: "Es macht keinen großen Unterschied, ob man dahinter eher Dreistigkeit oder Verzweiflung vermutet. Vermutlich handelt es sich um eine Mischung aus beidem. Der griechische Premier drückt sich vor der unbequemen Einsicht, dass er nicht halten kann, was er versprochen hat. Das politische Manöver von Alexis Tsipras ist der Versuch, die Verantwortung für das eigene Versagen weiterzureichen. Den EU-Partnern ließ er keine Wahl, als zu sagen: Bis hierher und nicht weiter."
Münchner Merkur: "Griechenland fällt ins Koma. Nur noch lebenserhaltende Maßnahmen der EZB trennen es von Pleite und Grexit. Doch die irrlichternde Führung hat für ihre Bürger nur Zynismus übrig. Die Griechen, tönt Syriza, seien eine Seefahrernation und schwankenden Boden gewohnt. Mag sein. Aber selbst der große Odysseus brauchte zehn Jahre, bis seine gefahrvolle Irrfahrt von Troja nach Ithaka endete. Und Alexis Tsipras ist kein Held wie Odysseus. Allenfalls ein mittelmäßiger Maulheld."
Hessische/Niedersächsische Allgemeine: "Aus ihrer Sicht konnte die Eurogruppe nicht mehr anders. Selbst die Verlängerung des Hilfsprogramms bis zum November hatte die griechische links-geführte Regierung unter den Bedingungen von Mehrwertsteuererhöhung, Rentenkürzung und drohender Kapitalverkehrskontrolle abgelehnt. Das zynische Doppelspiel von Tsipras, ein Referendum über diese als Giftliste empfundenen Reformforderungen vorzunehmen, zugleich für ein Nein der Bevölkerung gegen die Geldgeber zu plädieren und sich damit aus der Verantwortung zu stehlen, ließ den ellenlangen Geduldsfaden der Euro-Partner endgültig reißen. Griechenland steht nun tatsächlich mit einem Bein über dem Abgrund."
Die Welt: "Vieles spricht dafür, dass Tsipras von Beginn an den Grexit als eine mögliche, vielleicht sogar für ihn attraktive Variante im Kalkül hatte. Zwar will das Gros der griechischen Bürger den Euro behalten. Schon deshalb hat der Linkspopulist vor und auch nach seiner Wahl im Januar einem Ausstieg eine Absage erteilt. Doch seine taktischen Manöver in den vergangenen fünf Monaten sprechen eine andere Sprache. Sie ergeben im Rückblick plötzlich einen Sinn, wenn man ihm ein doppeltes Spiel unterstellt. Sein Volk hat er in eine aufgeheizte Stimmung versetzt. Der Internationale Währungsfonds, die EZB und vor allem Bundeskanzlerin Merkel wurden zu Feinden stilisiert. Tsipras braucht die Legende vom Verrat am Volk, um die Chance zum Machterhalt nach einer Staatspleite zu haben."
Lausitzer Rundschau: "Merkel ist sicher die Letzte, die es auf ein solches Schreckensszenario angelegt hätte. Ihre Philosophie, wonach allein Sparen zu Wachstum führt, ist jedoch gescheitert. Was fehlt, sind speziell zugeschnittene Hilfen, um dem nicht eben export-orientierten Griechenland wieder auf die Beine zu helfen. Freilich macht es Tsipras der Kanzlerin auch alles andere als einfach. Es spricht Bände, dass bei den jüngsten Treffen der europäischen Staats-Chefs kein EU-Land mehr für das Verhalten Athens Verständnis hegte. Beim Machtantritt der Tsipras-Regierung vor einem halben Jahr sah das noch anders aus."
Neue Osnabrücker Zeitung: "Die Angst vor der Staatspleite Griechenlands und dramatischen Folgen für die gesamte EU nimmt zu. In diese Lage hat sich die Athener Regierung aus Sozialisten und Rechtspopulisten manövriert. Sie hat die Geduld der Eurofinanzminister überstrapaziert und ist nun isoliert. Nach dem Verhandlungsmarathon auf einmal eine Volksabstimmung anzukündigen, das ging zu weit. Dabei hat die Syriza-Regierung nicht nur eine letzte Chance bekommen, sondern eine allerallerallerletzte. Die Geldgeber wären Athen weit entgegengekommen. Aber nach wie vor sind Ministerpräsident Tsipras und Finanzminister Varoufakis nicht bereit, sich auf ernsthafte Reformen und Sparmaßnahmen einzulassen. Daher ist die Verärgerung in den anderen Euroländern nur zu verständlich."
Frankfurter Rundschau: "Leider muss man ein halbes Jahr nach dem Machtwechsel in Athen feststellen, dass dieser griechischen Regierung nicht nur die Erfahrung fehlt. Ihr mangelt es am europäischen Geist. Zu keinem Zeitpunkt wollte sie das Schuldenproblem ihres Landes gemeinsam mit den anderen europäischen Regierungen lösen, sondern immer gegen sie. Statt auf Kompromisse und Zusammenarbeit setzt sie auf Erpressung und Konfrontation. Dabei sind die Gläubiger den Griechen in vielen Punkten wie dem Haushaltsüberschuss weit entgegen gekommen. Die Verantwortung für die Eskalation trägt also Tsipras selbst. Gescheitert ist aber auch die Euro-Politik von Angela Merkel. Ihr Bemühen, die Euro-Krise mit einer Mischung aus Spardruck und Entgegenkommen an die strauchelnden Länder zu entschärfen, hat die europäische Währungsunion geschwächt und leider nicht stabilisiert."
Tagesspiegel (Berlin): "Es ist eine Eskalation, die einerseits angesichts der Starrköpfigkeit der Syriza-Leute unvermeidlich erscheint und die dennoch alle Akteure zwingen sollte, noch einmal innezuhalten. Die EU sollte inzwischen reif genug sein, um alte ideologische Grabenkämpfe hinter sich zu lassen. Ob in Europa der Neoliberalismus regiert oder ob John Maynard Keynes' Theorie vom staatlichen Geldausgeben in Krisenzeiten zum Ziel führt, ist eher eine theoretische Debatte. Jetzt schlägt die Stunde der Pragmatiker, und nach aller Erfahrung zählt auch die Bundeskanzlerin zu ihnen. Auch Berlin steht in diesen Tagen im Bann der Griechenland-Krise. Dabei weiß Angela Merkel, dass es auch an ihr liegt, ob Europa so weitergebaut werden kann, wie es sich die Menschen wünschen – als Marktwirtschaft, aber eben auch nicht als ökonomische Zwangsveranstaltung."
Stuttgarter Nachrichten: "Glücklicherweise sind die Bürger meist klüger als die Politik annimmt. Jeder Euro, den die Griechen in diesen Tagen abheben, ist ein Misstrauensvotum gegen die Regierung Tsipras; und eine neue Umfrage zeigt, dass inzwischen weit mehr Griechen für eine Einigung mit der EU sind als dagegen. Nichts erscheint in diesen Tagen mehr ausgeschlossen – nicht einmal ein Verbleib der Griechen im Euro."
Südwest Presse: "Noch ist nicht heraus, ob aus dem Auslaufen des Hilfsprogramms der gefürchtete Austritt aus der Euro-Gemeinschaft wird. Erst einmal wird die Athener Staatskasse am Dienstag die fällige Überweisung von 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds schuldig bleiben. Das bedeutet noch nicht die Pleite, ist aber der erste Schritt in diese Richtung. Schon vorher dürften sich die bereits jetzt massive Verunsicherung der Bürger und Wirtschaftsakteure sowie die Geldnot der Banken dramatisch verschärfen. Auch wenn die Ansetzung des Referendums am kommenden Sonntag durch Tsipras zu diesem Zeitpunkt ein konfuses Manöver ist – es gibt den Griechen die Chance, mehr Vernunft zu zeigen als ihr Regierungschef. Die EU-Partner sollten ihrerseits Besonnenheit und mehr Verständnis für die Nöte des griechischen Volks an den Tag legen."
Berliner Zeitung: "Aber noch ist nichts zu spät. Und wie immer in Konflikten, muss der Klügere nachgeben. Also Europa. Klug wäre jetzt, den Griechen vor dem Referendum ein Angebot zu machen, das das Volk nicht ablehnen kann. Ein Moratorium für die Schulden zum Beispiel, selbstverständlich mit Auflagen. Wer von Griechenland jetzt verlangt, dass es Verantwortung übernimmt, muss ihm Bewegungsspielräume lassen. Alexis Tsipras hat sein Land an den Abgrund geführt, helfen wir ihm, den Weg zurück zu finden. Vielleicht lernt er aus der sinnlosen Zuspitzung der vergangenen Monate, wenn ihm die Griechen in den nächsten Tagen die Folgen eines Grexit an den Bankautomaten vorführen."
Mannheimer Morgen: "Endlich, werden die Kritiker der bisherigen Euro-Rettungspolitik sagen, weil ihnen das griechische Beispiel fortan als Beleg für eine falsche Antwort der Euro-Zone auf die Krise dienen wird. Doch das ist ein Irrtum. Der Absturz Athens eignet sich nicht als Argument gegen die Politik, die Kanzlerin Angela Merkel zugeschrieben, aber von allen anderen Mitgliedern der Währungsunion gestützt wird. Das Desaster zeigt im Gegenteil, was passiert, wenn eine Regierung die Wirklichkeit ausschließlich durch eine ideologische Brille sieht und dabei ihr Rendezvous mit der Realität verpasst. Wann wacht Griechenland auf und versteht, wer in dieser Eskalation welche Rolle spielt?"
Thüringische Landeszeitung: "Ganz Rest-Europa war wohl zu blauäugig. Die Hoffnung auf ein Aufwachen in Athen waren ohne Substanz. Man hätte früher sehen müssen, dass der Syriza-Kurs ein wohlkalkulierter Crash mit denen war, die das Ganze bezahlen sollten. Mit der Pistole am Kopf wurde mit Selbstmord gedroht, würden die Hilfskredite nicht weitergeführt."
Stuttgarter Zeitung: "Gerade die Europäische Zentralbank (EZB) läuft (...) Gefahr, mit ihren Notkrediten für Griechenland ein weiteres Mal rote Linien zu überschreiten. Die EZB darf laut Mandat griechischen Banken nur helfen, wenn dafür Sicherheiten vorhanden sind. Doch diese Garantien sind nicht existent. Indem die EZB die griechischen Banken gestützt hat, trug sie dazu bei, dass sich Athen in Sicherheit wiegte. Die EZB muss ihre Nothilfen zurückfahren. Verantwortlich dafür sind Tsipras, Varoufakis & Co."
Flensburger Tageblatt: "Nun ist das Kind im Brunnen, und es wird ertrinken, wenn nicht noch Wunder geschehen. Das Ende ist eine Tragödie, vor allem für die gebeutelten Griechen selbst. Es ist aber auch ein Schauspiel zum Fremdschämen weit über die Währungsfrage hinaus. Wie oft treten wir mit stolzgeschwellter Brust anderen Völkern gegenüber und reden von abendländischen Werten? Hier haben wir ein vergleichsweise überschaubares Problem untereinander nicht lösen können. Die Griechen haben Europa in eine Krise gestürzt, von der sich die EU nur schwer erholen wird."
Rhein-Zeitung: "Ein Referendum könnte Klarheit schaffen, wohin die Griechen wirklich wollen – aber nicht dieses Votum. Weil die Athener Regierung entweder – von eigener Legendenbildung untermauert – den Absturz nicht nur aus dem Euro, sondern aus der EU herbeiführt. Für Griechenland wäre es die Katastrophe. Oder aber weil die Bürger der Regierung den Auftrag für eine Politik innerhalb der Gemeinschaftswährung geben, für deren Abschaffung Tsipras und seine Minister seit Monaten alles tun. Der amtierende Ministerpräsident wollte offenbar einen Befreiungsschlag, er bekommt in jedem Fall eine ausweglose Situation."
Allgemeine Zeitung (Mainz): "Erst spricht Herr Tsipras von der Würde des Volkes. Dann bringt er bei Nacht und Nebel an einem Wochenende eine Volksabstimmung ins Spiel. Bei dieser will er die Griechen über einen Vorschlag entscheiden lassen, der offiziell gar nicht mehr auf dem Tisch liegt. In Wahrheit geht es um Herrn Tsipras' politische Zukunft. So viel also zur Würde des Volkes. Dieses muss wann auch immer tatsächlich entscheiden, was es von einem Zocker und Windbeutel hält. Allein, die griechische Tragödie besitzt mittlerweile so viel, durch Abermilliarden Euro verliehene Sprengkraft, dass Herr Tsipras letztlich unbedeutend ist. Es läuft das Endspiel um das Europa, das wir kennen."
Badische Neueste Nachrichten: "Ob das Land bis zum Referendum in sechs Tagen seinen Bankrott erklären muss, ist noch unklar. Die Banken bleiben in Griechenland vorerst geschlossen, es wird Kapitalverkehrskontrollen geben. Die Lage für die Menschen ist dramatisch. In dieser Ausnahmesituation sollen die Griechen darüber abstimmen, ob sie in Zukunft den Gürtel noch enger schnallen wollen. Die Bürger wissen, dass es um ihre Staatsfinanzen schlecht bestellt ist. Aber ob deshalb Rentner, Lehrer oder Hafenarbeiter für weitere Einschnitte stimmen, ist fraglich."
Braunschweiger Zeitung: "Vermutlich fehlte es auf beiden Seiten am Mut, die jeweils eigene Bevölkerung darüber aufzuklären, wofür ein echter Kompromiss stünde: für beinharte Reformzwänge in Griechenland und für großzügige, aber notwendige Verzichtserklärungen der Geldgeber. Diese Rechnungen hätten jeweils die Steuerzahler übernehmen müssen. Sie sind es aber auch, die im Fall des endgültigen Scheiterns aller Verhandlungen für das Zusammenkehren der Scherben finanziell haften. Für die Idee eines zusammenwachsenden Europa ist diese Entwicklung fatal. Noch schlimmer wäre es allerdings, wenn sich nun auf beiden Seiten Ressentiments verfestigen würden. Auf der einen Seite die faulen Griechen, auf der anderen die gierigen Geldgeber. Solch ein Denken kann das brüchige Europa so gut gebrauchen wie eine neue Finanzkrise."
Augsburger Allgemeine: "Selten zuvor agierten die Mitglieder der Währungsunion so geschlossen gegenüber der unzuverlässigen griechischen Regierung, die es geschafft hat, innerhalb von nur sechs Monaten das eigene Land vor die Wand zu fahren. Selbst wenn man darüber hinwegsehen will, wie Tsipras die Regeln der Diplomatie mit Füßen getreten hat, als er seine Partner in Brüssel eben noch anlächelte, um sie dann zu Hause dermaßen zu brüskieren, bleibt das Referendum alles andere als demokratisch: Weil es keine verabschiedete Liste von Reformvorschlägen gibt, über die man abstimmen könnte. Und weil die Regierung nicht informiert, sondern suggeriert. Die Abstimmung der Bürger hat längst begonnen. Nicht an den Urnen, sondern an den Geldautomaten."
Saarbrücker Zeitung: "Es spricht Bände, dass bei den jüngsten Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs kein einziges EU-Land mehr für das Verhalten Athens Verständnis hegte. Beim Machtantritt der Tsipras-Regierung vor einem halben Jahr sah das noch ganz anders aus. 'Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.' Dieser Satz gehört ebenfalls zum sprachlichen Fundus der Kanzlerin in der Griechenland-Krise. Merkel muss den Willen aufbringen für einen Weg, um das Ruder doch noch herumzureißen. Denn ein Grexit wäre nicht nur für Griechenland eine Katastrophe, sondern womöglich für ganz Europa."
Westfalen-Blatt: "Während der Premier auf die Geldgeber und die Euro-Partner schimpft, halten diese weitere Milliarden bereit, um die Lage zu stabilisieren. Werden die hellenischen Politiker ihren Wählern auch das sagen, bevor sie sie zur Abstimmung rufen? Wann wacht Griechenland auf und versteht, wer hier welche Rolle spielt?"
Landeszeitung (Lüneburg): "Die Mischung aus gegenseitigen Schuldzuweisungen und Zockerei auf dem Rücken der Griechen und der Steuerzahler in der gesamten Eurozone ist unerträglich. Und noch lange nicht beendet. Richtig ist: Hellas kann nur wieder auf die Beine kommen mit harten, einschneidenden Reformen, die auch umgesetzt werden. Klar ist auch, dass Athen die Schulden weder in naher noch in ferner Zukunft zurückzahlen kann. Die Euro-Partner werden einen großen Teil ihrer gewährten Kredite abschreiben müssen. Alles andere wäre illusorisch. Tsipras und Varoufakis wälzen die Verantwortung lieber auf ihre Bürger und den Rest der Eurozone ab. Volksvotum und vorübergehende Schließung der Banken zögern den Bankrott des Landes nur heraus. Und dann? Die Eurozone wird es am Ende schon richten, scheint das zynische Kalkül Athens zu sein. Denn klar ist: Um noch schlimmere soziale Verwerfungen in Griechenland zu verhindern, ist extrem viel Geld nötig."
Mittelbayerische Zeitung: "Die griechische Regierung hat Angst vor der eigenen Courage bekommen. Wenn sie nun über die Sparforderungen der Gläubiger in einem Referendum abstimmen lässt, schiebt sie die Verantwortung für Griechenlands Verbleib oder Hinausgleiten aus der Eurozone und alle daraus folgenden sozialen Härten an ihr eigenes Volk weiter. So lautet der Vorwurf der enttäuschten Partner gegenüber der Regierung in Athen. Er ist berechtigt. Wahr ist aber auch: Die Politiker der anderen Euroländer sind genauso entscheidungsscheu. Sie drücken sich vor einer klaren Aussage, wie es weitergehen soll und schieben die Entscheidung über die Zukunft der Eurozone an die Europäische Zentralbank weiter."
Rheinpfalz (Ludwigshafen): "2011 musste Giorgos Papandreou zurücktreten, nachdem er eine Volksabstimmung über die Zukunft des Landes im Euro angekündigt hatte. Doch die Situation war damals eine andere. Papandreou wurde von der eigenen Partei gestürzt, die hernach in eine Regierung der nationalen Einheit mit den Konservativen eintrat, um die Krise zu meistern. (...) Nicht nur politisch, auch wirtschaftlich ist die Lage des Landes heute viel verfahrener als 2011. Mit seinem unentschlossenen Lavieren hat Tsipras fünf Monate vergeudet. Er verprellte selbst die wenigen politischen Freunde, die er in Europa hatte. Griechenland fiel zurück in die Rezession. Resultat: Der Schuldenberg ist höher denn je."
Darmstädter Echo: "Die EU hat sich als unfähig erwiesen, ein vergleichbar überschaubares Problem zu lösen. Es wäre falsch, die Schuldigen dafür nur in Griechenland zu suchen. Viel zu lange haben die Geldgeber in der auf eine Medizin gesetzt, die zumindest den griechischen Patienten überfordert. Darüber muss endlich ernsthaft geredet werden in Europa, und das wäre die große Chance für Alexis Tsipras gewesen. Doch hat er mit seiner Brachialstrategie hier nichts erreicht, sondern die Gräben eher noch vertieft."
Badische Zeitung: "Die Klarheit vom Samstag weicht wieder der gewohnten Unübersichtlichkeit. ... Warum eigentlich? Weil die vom genervten Publikum so herbeigesehnte Entschiedenheit, die geschätzte klare Kante gegenüber den unseriösen Spielern in Athen, auch etwas Endgültiges hat. Endgültigkeit verbaut aber auch Möglichkeiten, und das widerspricht dem Politikverständnis von Bundeskanzlerin Merkel, letztlich der zentralen Figur in der Eurokrise. 2008 hatte die US-Regierung beschlossen, die Bank Lehmann endgültig fallen zu lassen. Das führte zur Finanz- und Wirtschaftskrise und dann zur Eurokrise. Europa hat danach viele Rettungsringe aufgeblasen. Man weiß aber nicht mit Gewissheit, ob sie halten. Ist es da klug, sie mit endgültigen Entscheidungen zu testen?"
Libération (Frankreich): "Ein Austritt aus der Eurozone würde die Lage in Griechenland verschlimmern, besonders für sozial Schwache. Dies ist den Griechen klar. (Die Regierungspartei) Syriza bleibt zwar ohne Zweifel populär, doch die Bevölkerung ist mit großer Mehrheit für den Euro und würde nach ersten Umfragen den Schuldenplan der Europäer akzeptieren. Die Regeln der Eurozone wurden von Regierungen festgelegt, die genauso demokratisch gewählt wurden wie die Regierung in Athen."
Neue Zürcher Zeitung: "Ungeachtet der nun zu erwartenden Turbulenzen: Langfristig kann die Zäsur eine reinigende Kraft entfalten für den Euro-Raum. Endlich nimmt Brüssel etwas Abstand vom schleichend umgesetzten Konzept einer Haftungsunion. Dass daher Zweifel an der Irreversibilität des Währungsverbundes aufkommen, muss nicht schlecht sein. Den Euro-Staaten wird in Erinnerung gerufen, dass man sich die Mitgliedschaft in der Währungsunion stetig verdienen muss, mit solider Finanzpolitik. Vielerorts hat man diese Lektion gelernt, etwa in Irland, Spanien und Portugal. Es ist zu hoffen, dass die Botschaft endlich auch in den Schlüsselstaaten Frankreich und Italien ankommt. Die Euro-Zone würde dann gestärkt aus dem derzeitigen Drama hervorgehen."
The Times (Großbritannien): "Die Spekulationen über einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone nehmen jetzt zu. Die Regierungen der Eurozonen-Länder werden diese Entwicklung kaum verhindern und ansonsten beobachten, wie (die Regierungspartei) Syriza die griechische Bevölkerung weiter verarmen lässt. Da es unmöglich ist, die Drachme wiedereinzuführen, dürfte ein negatives Votum bei der Volksabstimmung Griechenland zu einer Art Montenegro werden lassen: Kein Mitglied der EU oder der Eurozone, doch ohne eigene Währung und mit dem Euro als Währung. Trostlose Aussichten für ein stolzes und unabhängiges Land, das eine ideologisch gesteuerte und völlig wertlose Regierung in knapp sechs Monaten zu Boden gebracht hat."
Le Figaro (Frankeich): "Diese sich hinziehende Tragödie kommt daher, dass Griechenland nie seinen Platz in der Euro-Zone hatte. Ob es nun durch einen Irrtum da hineingekommen ist, durch fehlende Umsicht der europäischen Institutionen und der großen Länder mit Frankreich und Deutschland an der Spitze. Eine gemeinsame Währung braucht wenigstens eine Gemeinsamkeit bei der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft der Länder (...), eine Akzeptanz der Steuerzahlung, den Willen und die Fähigkeit, den öffentlichen Haushalt auszugleichen. (Der griechische Ministerpräsident Alexis) Tsipras glaubt daran nicht und schlägt seinem Volk den großen Sprung ins Unbekannte vor. Es ist an den Griechen, zu entscheiden."
La Repubblica (Italien): "Die Entscheidung der Regierung Tsipras, ein Referendum zu den Reformvorschlägen der Eurogruppe einzuberufen, könnte schlimme Konsequenzen sowohl für Griechenland als auch für die EU haben. Die Situation ist schnell allen aus der Hand gerutscht – in einem Teufelskreis, der gestern Abend zu der Ankündigung geführt hat, dass die Banken geschlossen bleiben. Ausgelöst durch die Ankündigung von Tsipras, ein Referendum abzuhalten, das von den Geldgebern als Abbruch der Verhandlungen interpretiert wurde. So lange und komplexe Verhandlungen bricht man nicht in letzter Minute einfach so ab – es sei denn, man ist absolut überzeugt, der Gegenseite nicht mehr vertrauen zu können."
Les Echos (Frankreich): "Griechenland ist ab jetzt auf dem fatalen Abstieg. Denn es ist sehr wohl das Grexit-Szenario, das in Gang gebracht ist. An diesem Montag sind die Banken in Griechenland geschlossen, um zu vermeiden, dass die Bürger massenhaft Euro-Scheine abheben. Am Dienstag wird die Staatskasse die Schulden, die sie dem Internationalen Währungsfonds zurückzahlen muss, nicht leisten. In den folgenden Tagen wird die Europäische Zentralbank ihre Kredite für die Banken des Landes also nicht mehr erhöhen können, die dann kein Geld mehr haben werden. Am Sonntag werden die Wähler (in Griechenland) wahrscheinlich mit 'Nein' beim Referendum über die von der Europäischen Kommission geforderten Reformen stimmen (...) Die Regierung wird dann Geldnoten ausgeben müssen (...). Diese schlechte Währung wird die gute verjagen."
Gazeta Wyborcza (Polen): "Ein Teil der Griechen meint, dass es in der Abstimmung darum geht, ob der Gürtel enger gespannt werden soll oder nicht. Jeder will ein höheres Lebensniveau, daher ist nicht ausgeschlossen, dass die Mehrheit für den Vorschlag der Regierung stimmt: Wir sind dagegen. Vielleicht gelangt die Mehrheit aber auch zu dem Ergebnis, dass hinter den technischen Dingen sich die einfache Wahl verbirgt: Sind wir für den Verbleib in der Eurozone oder nicht. Die Mehrheit ist für den Verbleib, denn das Verlassen der gemeinsamen europäischen Währung und die Übernahme der nationalen Drachme wird den Verlust eines Teils der Ersparnisse, Inflation und Minderung der Einkommen bedeuten."
La Vanguardia (Spanien): "Eine Sache ist klar: Die Währungseinheit benötigt eine politische Einheit. Diese wird aber erst dann kommen, wenn alle Länder jene Reformen durchgeführt haben, die sie ermöglichen – mit dem Ziel, dass alle Bürger wirksame und reale Mitsprache haben. Diese Reformen muss man langsam, aber sicher in Angriff nehmen. Erst dann wird man darauf vertrauen können, dass sich Krisen wie die gegenwärtige nicht wiederholen werden."
Die Presse (Österreich): "Ein gemeinsames Europa, in dem Regierungen nur noch die von ihnen selbst verursachte Verwirrung der Bevölkerung mit immer neuen Worthülsen bedienen, wird wohl auch in Zukunft nicht funktionieren. Ob es um Budgetkürzungen oder Schuldenabbau geht, es fehlte der politische Mut. Wirtschaftlich wird es noch keine Katastrophe sein, wenn sich Griechenland nicht mehr im Euro hält. Für die internationale Glaubwürdigkeit der Europäischen Union wäre ein solches Ergebnis der Verhandlungen – wenn es so bleibt – aber ein erheblicher Schaden."
Hospodarske noviny (Tschechien): "Alexis Tsipras hat sein Volk betrogen. Zu Beginn des Jahres war er mit dem Versprechen angetreten, Griechenland in der Eurozone zu halten und die Gläubiger zu Änderungen der Zahlungsbedingungen zu bewegen. Doch seine weitreichenden Sozialprogramme sind mit den Forderungen der Gläubiger nicht unter einen Hut zu bringen. Tsipras hätte schon im April oder Mai zurücktreten müssen, um eine Regierung an die Reihe zu lassen, die sich mit Europa hätte einigen können. Stattdessen ging er bis zum bitteren Ende und hatte sogar noch die Dreistigkeit, ein völlig überflüssiges Referendum auszurufen. Vielleicht verstehen die Griechen nun endlich, dass Tsipras die Fähigkeiten für den Job als Regierungschef abgehen."
De Telegraaf (Niederlande): "Für Europa bedeutet es vor allem politischer Schaden. Der Euro sollte die Krönung des europäischen Projekts sein. Inzwischen scheint es seine größte Schwachstelle zu sein. Wenn ein Land aus dem Euro tritt, weiß keiner absolut sicher, ob nicht noch mehr Länder folgen werden. Griechenland kommt dann auch als feste Größe der Europäischen Union ins Wanken. Die Amerikaner werden das mit Entsetzen registrieren. Denn ein instabiler Nato-Partner am Rande Europas ist für sie nicht wünschenswert. Europa steht am Rande und schaut zu. Was können die politischen Führer auch anderes tun nach monatelangem Reden? Am Ende entscheidet jedes Land selbst über sein Schicksal. (...) Aber die Folgen sind enorm. Dies geht nicht nur Griechenland an. Dies ist ein großes europäisches Problem."
Pravda (Slowakei): "Was soll an der Referendums-Ankündigung von Alexis Tsipras überraschend sein? Dass die europäischen Politiker gemeinsam den griechischen Regierungschef in die Ecke trieben, ohne im Voraus festzustellen, wie diese Ecke aussehen wird? Die gegenwärtige Situation muss noch immer nicht den automatischen Austritt Griechenlands aus der Eurozone bedeuten. Sie rückt aber den Tag wieder näher, an dem den Griechen der Austritt annehmbarer scheint als die heutige Ungewissheit des Diktats europäischer Technokraten."
Nesawissimaja Gaseta (Russland): "Die griechische Krise hat sich zu einem politischen Erdbeben mit unabsehbaren Folgen ausgeweitet. Das Gericht des Volkes soll nun bei einem Referendum am 5. Juli über die Forderungen der EU, der EZB und des IWF entscheiden. Damit bestimmt Griechenland sein Schicksal. Das Verhandlungsszenario aber ist für den Moment zumindest gescheitert. Griechenland droht die Staatspleite und ein Ausstieg aus der Eurozone. Die Eurokrise hat damit ihren Höhepunkt erreicht (...) Die Länder der Eurozone haben einen so starken Druck auf Griechenland aufgebaut, dass die Regierung in Athen praktisch in die Ecke gedrängt ist. In den wichtigsten Hauptstädten der Eurozone gibt es fieberhafte Sitzungen, aber keiner weiß bisher, was zu tun ist – abwarten, die Tür zuschlagen oder doch auf die griechischen Stimmungen eingehen."