Designierter EU-Kommissionspräsident Juncker: "Ich bin kein Neoliberaler"

Brüssel · Der designierte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat Reformen in der Europäischen Union versprochen, falls er am kommenden Dienstag vom EU-Parlament gewählt wird.

Das ist Jean-Claude Juncker
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Foto: afp, TS/AG

Bei Anhörungen in den Parlamentsfraktionen von Grünen und Linken betonte er am Mittwoch in Brüssel, er sei kein "Neoliberaler" und wolle weder das Arbeitsrecht deregulieren noch soziale Dienstleistungen privatisieren. Juncker kündigte an, er wolle die zur Überwachung von Schuldenstaaten eingesetzte Troika von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) "durch ein anderes Gremium, das besser den allgemeinen Demokratieprinzipien entspricht", ersetzen. Der IWF sollte an der Troika nur beteiligt sein, wenn das unbedingt nötig sei: "Sonst sollte man das Europa mit seinen eigenen Mitteln machen lassen." Er sei aber dafür, statt des IWF künftig die Eurogruppe der Euro-Finanzminister einzubinden.

Juncker verteidigte die EU-Kommission und seine eigene Tätigkeit als Vorsitzender der Eurogruppe gegen Kritik am Kampf für eine Stabilisierung der Euro-Währung. "Wir haben gute Arbeit geleistet und den Zusammenhalt der Eurozone gesichert. Wir haben alles getan, um zu verhindern, dass Griechenland ausgeschlossen wird", sagte er. "Wir haben ein brennendes Flugzeug während des Fluges reparieren müssen."

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt müsse auch weiterhin angewendet werden, allerdings "mit gesundem Menschenverstand". Sollten künftig "Anpassungsprogramme" nötig sein, so gelte: "Das Programm muss atmen mit der Wachstumsschnelligkeit, die es in einem Land gibt. Man muss Programme entsprechend anpassen können."

Juncker kündigte Initiativen der EU-Kommission für eine Politik der legalen Einwanderung an. Zudem werde die Kommission eine Harmonisierung des digitalen Binnenmarktes vorschlagen: Dessen "Wachstums- und Beschäftigungschance" müsse erkannt werden. "Wir haben zu viele Regulatoren, zu viele national verbrämte Regelungen.
Das muss alles in einer großen Anstrengung vereinfacht werden." Juncker plädierte auch für ein verpflichtendes Register aller Lobbyisten bei der EU.

Der einstige luxemburgische Premierminister schloss künftige Änderungen des EU-Vertrags nicht aus, "falls diese sich aufdrängen". "Vielleicht brauchen wir Vertragsänderungen für die Vollendung der Währungsunion." Er sei mit Großbritannien zu Verhandlungen über die Rückführung von Rechten an die nationale Regierung bereit. "Aber ich kenne keine Liste von Forderungen der britischen Regierung." Bei Verhandlungen werde man jedoch über die "vier Grundfreiheiten" der EU - die Freizügigkeit für Menschen, Güter, Dienstleistungen und Kapital - nicht verhandeln können: "Die stehen nicht zur Disposition."

Juncker verwahrte sich gegen den Vorwurf, ein "Neoliberaler" zu sein. "Der neoliberale Teil der liberalen Politik ist vor allem das Werk der Herren (Tony) Blair und (Gerhard) Schröder", sagte er. "Ich hätte niemals ein Gesetz vom Typ Hartz IV vorlegen lassen, ich habe immer gegen die Deregulierung des Arbeitsrechts gekämpft." Er fügte hinzu: "Ich habe mit diesen Regierungen gearbeitet und deshalb weiß ich, wer die neoliberale Politik in Europa erfunden hat. Ich war das nicht."

(dpa)
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