Poker um Kommissionschef Kanzlerin Merkel lockt Briten zu Juncker

Berlin/Brüssel · Kanzlerin Angela Merkel will die Widerstände gegen Jean-Claude Juncker als EU-Kommissionschef mit inhaltlichen Zugeständnissen brechen. Günther Oettinger soll deutscher Kommissar bleiben.

 Poker um den Posten des Kommissionschefs: Merkel, Juncker.

Poker um den Posten des Kommissionschefs: Merkel, Juncker.

Foto: dpa

Zwei Wochen nach der Europawahl nimmt das Personalpaket an der Spitze der europäischen Institutionen Formen an. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) soll sich auf den konservativen Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker als neuen Kommissionschef festgelegt haben.

Um den Juncker-kritischen Regierungschefs, allen voran Großbritanniens Premier David Cameron, eine Zustimmung zu ermöglichen, sollen diese die inhaltliche Agenda der neuen EU-Kommission stärker beeinflussen dürfen: So soll die Kommission Reformen und eine Rückbesinnung auf die Kernkompetenzen der EU ankündigen.

Dies hat Merkel im Vorfeld ihres Treffens mit Cameron, Schwedens Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt und Mark Rutte, Regierungschef der Niederlande, gestern Abend in Schweden gegenüber Vertrauten erläutert, wie unsere Zeitung aus Unionskreisen erfuhr. Sozialdemokrat Martin Schulz soll demnach Präsident des Europaparlaments bleiben.

Pläne, wonach der SPD-Spitzenkandidat bei der Europawahl den deutschen Posten in der neuen EU-Kommission übernehmen sollte, waren in der Union auf heftigen Widerstand gestoßen. Die Union lag bei der Europawahl im nationalen Vergleich deutlich vor der SPD. Nun soll der CDU-Politiker Günther Oettinger Deutschland weiterhin in der Kommission vertreten sein. Merkel will das Personalpaket heute Abend mit SPD-Chef Sigmar Gabriel und CSU-Chef Horst Seehofer festlegen.

Der frühere luxemburgische Regierungschef Juncker war bei der Europawahl im Mai als Spitzenkandidat der Konservativen angetreten, die stärkste Kraft im EU-Parlament wurden. Nach dem EU-Vertrag von Lissabon müssen die Staats- und Regierungschefs bei der Wahl des Kommissionschefs die Machtverhältnisse im EU-Parlament berücksichtigen. Das Parlament hatte kurz nach der Wahl darauf hingewiesen und die Mitgliedsstaaten aufgefordert, den 59-jährigen Juncker als Kommissions-Chef vorzuschlagen. Großbritanniens Regierungschef Cameron lehnte dies ab. Auch Merkel äußerte erst nach einigem Zögern Unterstützung. Die SPD hatte sich dagegen schnell hinter Juncker gestellt.

Offen bleibt indes, ob Cameron sich mit den inhaltlichen Zugeständnissen zufriedengibt. Auch die oppositionelle britische Labour Party sprach sich gestern erstmals gegen Juncker aus. Die Europawahl habe gezeigt, dass die EU Reformen brauche, und Juncker würde diese Reformen erschweren, teilte ein Labour-Sprecher mit. "Sollte Juncker dem Europäischen Parlament vorgestellt werden, werden die Labour-Abgeordneten gegen ihn stimmen."

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) mahnte am Wochenende, auch in London müsse man zur Kenntnis nehmen, dass es Mehrheitsmeinungen im Europaparlament gebe, an denen die Staats- und Regierungschefs nicht vorbeikämen. Der außenpolitische Sprecher der Union, Philipp Mißfelder, bekräftigte, dass Juncker aufgrund des Wahlergebnisses eindeutiger Favorit sei. "Tricksen und Taktieren wäre Wählertäuschung", warnte Mißfelder.

Vor zu weitreichenden Zugeständnissen an die Juncker-Kritiker in Großbritannien, Schweden und den Niederlanden warnte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen (CDU). "Ich erwarte, dass nicht nur eine Negativagenda für Europa formuliert wird für die Jean Claude Juncker herangezogen wird", sagte Röttgen unserer Zeitung. "Wir Europäer brauchen uns alle gegenseitig, wenn wir in der Welt relevant bleiben wollen", betonte Röttgen.

(RP)
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