Interview mit Wolfgang Ischinger "Als Faustpfand kann die Krim Putin nützen"

Berlin · Einmal im Jahr bringt er die wichtigsten Außenpolitiker der Welt in Deutschland zusammen: Wolfgang Ischinger, Jurist und Ex-Diplomat, ist seit 2009 Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz. Zuvor war der Schwabe Ischinger unter anderem Staatssekretär im Auswärtigen Amt sowie Botschafter in London und Washington.

Putin: "Drohungen gegen Russland sind schädlich"
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Foto: ap

Was tut Wladimir Putin auf der Krim?

Ischinger Nach meinem Eindruck ist es nicht sein Ziel, die militärische Eskalation auf die Spitze zu treiben. Nachdem es ihm schon gelungen ist, die Nato-Mitgliedschaft der Ukraine zu verhindern, geht es ihm jetzt darum, die weitere Annäherung der Ukraine an die EU zu blockieren.

Ruft er damit die EU nicht erst recht auf den Plan?

Ischinger Er weiß, dass nur Staaten ohne territoriale Konflikte eine realistische EU-Perspektive haben können. Das Faustpfand Krim könnte Moskau langfristig nutzen, um einen solchen Territorial-Konflikt am Köcheln zu halten. Das ist das eigentliche politisch-strategische Ziel Russlands: Einfluss auf und in der Ukraine nicht zu verlieren. Putins rote Linie ist das völlige Ausbrechen der Ukraine aus dem eigenen Einflussbereich. Genau das musste er aber nach den Entwicklungen der Vorwoche befürchten.

Welche Rolle spielt Deutschland in der Konfliktlösung?

Ischinger Deutschlands Rolle ist im Ukraine-Konflikt von besonderer Bedeutung, denn kein anderes Land hat so enge politische und wirtschaftliche Beziehungen zu Russland. Deshalb ist Deutschland in besonderer Weise gefordert, alle möglichen diplomatischen Register zu ziehen.

Die Drohung mit Sanktionen gegen Moskau liegt auf dem Tisch, was halten Sie davon?

Ischinger Es ist gut, das die EU das Thema angesprochen hat, aber konkret — noch — nichts beschlossen hat. Besser ist es, zunächst alle diplomatisch-politischen Möglichkeiten zu nutzen. Erst wenn alle diese Pfeile ohne Wirkung verschossen sind, sollte es zum Beschluss von Sanktionen kommen. Denn Sanktionen erschweren Moskau ein gesichtswahrendes Einlenken.

(may-)
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