Griechenland-Krise Geldgeber: Athens Vorschläge reichen nicht

Brüssel · Die neue Reformliste kam zu spät, der Marathon geht weiter. Ohne die Notkredite der EZB wären griechische Banken bereits am Ende. Die Entscheidung soll nun erst bis Ende der Woche fallen.

Juni 2015: Bilder vom EU-Gipfel
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Schon in der Nacht zum Montag griff Martin Selmayr, der deutsche Kabinettschef von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, zum Smartphone und twitterte: "Neue griechische Vorschläge erhalten. Eine gute Basis für den Euro-Gipfel. Auf deutsch: Eine Zangengeburt." Als die Börsen öffneten, reagierten die Anleger begeistert. Der Index für Bankaktien in Athen schoss um 22 Prozent in die Höhe, der Dax um mehr als drei Prozent. Ganz anders reagierte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble: "Es müssen nicht von irgendwelchen nicht-autorisierten Persönlichkeiten irgendwelche Erwartungen geschürt werden, sondern es muss eine seriöse Prüfung (der Reformvorschläge) geben", kanzelte er die voreiligen Hurra-Rufer ab.

Zu Recht. Wieder einmal hatten die Griechen ihre Reformliste verspätet eingereicht. Geldgeber wie der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Euro-Finanzminister konnten die Pläne nicht hinreichend prüfen. Damit war auch das Gipfel-Treffen der europäischen Regierungschefs am Abend eigentlich überflüssig. Eine Bewertung der griechischen Vorschläge.

Rente Die griechische Regierung hat sich in buchstäblich letzter Minute zu begrenzten Reformschritten im Rentensystem bereiterklärt. Sie will Frühverrentungen abschaffen, allerdings erst ab dem 1. Januar 2016. Die Eurogruppe hatte die Abschaffung schon ab sofort, zum 1. Juli 2015, gefordert. Derzeit gehen in Griechenland Männer im Durchschnitt mit 63 Jahren in Rente, Frauen mit 59. Im Vergleich zu anderen Euro-Staaten müssen Ältere nur eine geringe Beitragszeit nachweisen, um einen Rentenanspruch zu haben. So müssen Frauen mit Kindern nur 25 Beitragsjahre vorweisen, um in Rente gehen zu können.

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Tsipras will zudem hohe Renten kürzen und das Rentensystem mit elf Kassen vereinfachen. Die Vorschläge gehen in die richtige Richtung, sollen die Ausgaben der Rentenkassen aber insgesamt nur um 200 Millionen Euro pro Jahr senken. Die Eurogruppe fordert einen Betrag von mindestens 500 Millionen Euro im Jahr. Griechenland gibt 16,2 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Renten aus — und liegt damit im EU-Vergleich auf Platz eins.

Mehrwertsteuer Bei der Mehrwertsteuer rückt Athen von seiner bisherigen Forderung ab, den Basissatz von 23 auf 18 Prozent zu senken. Der Satz für Grundnahrungsmittel wie Reis und Nudeln soll sogar von 13 auf 23 Prozent erhöht, der Satz im Hotelgewerbe von 6,5 auf 13 Prozent verdoppelt werden. Die Eurogruppe hatte eine Anhebung auf 23 Prozent gefordert, was aber dem wichtigsten griechischen Wirtschaftszweig, dem Tourismus, schaden würde. Energie und Grundnahrungsmittel sollen weiter mit 13 Prozent und Bücher mit sechs Prozent besteuert werden. Dieser reduzierte Satz soll laut den neuen griechischen Vorschlägen künftig auch für Medikamente gelten, bisher werden sie mit 13 Prozent besteuert.

Einkommensteuer Neu eingeführt werden soll eine Sondersteuer auf Einkommen ab 30.000 Euro brutto jährlich, die stufenweise von ein bis sieben Prozent steigen könnte. 30.000 Euro jährlich entspricht in Griechenland einem mittleren Einkommen. Unternehmen, die 2014 mehr als 500.000 Euro Gewinn hatten, sollen bis zu sieben Prozent Sondergewinnsteuer zahlen.

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Foto: dapd, Michael Gottschalk

Immobiliensteuer Athen willigt ein, diese in Griechenland höchst umstrittene Steuer nicht abzuschaffen. Damit verabschiedet sich Tsipras von einem zentralen Wahlversprechen. Auch Besitzer von Jachten, Luxusautos und Schwimmbädern sollen mehr Steuern zahlen.

Doch Kritikern ist das zu wenig. "Ich vermisse Vorschläge aus Griechenland, wie sie ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern wollen", sagte der Chef der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann. "Die Effizienz der Verwaltung in Griechenland liegt laut Weltbank hinter der von Bangladesh." Wolfgang Bosbach sagte: "Es fehlt Griechenland an der grundsätzlichen Einsicht, dass es seine Wirtschaft modernisieren und sein Staatswesen reformieren muss.

Ohne Europäische Zentralbank wäre Athen vermutlich schon am Ende. Am Montag erhöhte die EZB erneut den Topf der Notkredite an griechische Banken. Ohne EZB-Hilfen wäre wohl schon mancher griechischen Bank das Geld ausgegangen, zumal diese ihrerseits mit kurzfristigen Krediten (T-Bills) den griechischen Staat finanzieren.

(RP)
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