Außenminister-Treffen in Luxemburg Handfester Krach in der EU über Flüchtlingskrise

Luxemburg · Während die EU-Kommission offenbar am Mittwoch eine neue Liste der "sicheren Herkunftsländer" vorlegen will, gaben sich die EU-Außenminister bei ihrem Treffen in Luxemburg zum Thema Flüchtlingskrise wenig diplomatisch. Es müsse endlich Schluss sein mit den gegenseitigen Schuldzuweisungen und dem "Schwarze-Peter-Spiel".

 Federica Mogherini und Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn stehen der Presse Rede und Antwort.

Federica Mogherini und Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn stehen der Presse Rede und Antwort.

Foto: afp, JT/MR

Diese Forderung wurde beim Treffen der EU-Außenminister geradezu mantrahaft vorgetragen. Aber genau das geschah auf dem Luxemburger Kirchberg, auf dem die Gebäude der EU-Institutionen angesiedelt sind: Der österreichische Minister Sebastian Kurz warf Italien und Griechenland vor, die Flüchtlinge einfach nach Norden weiterzuschicken. Der ungarische Außenamtschef Peter Szijjarto beschuldigte recht unverblümt die Regierungen in Wien und Berlin, die Lage in seinem Land anzuheizen. Verärgert zeigte sich auch Italiens Chefdiplomat Paolo Gentiloni: "In der EU gibt es noch immer Länder, die glauben, sie könnten das Problem lösen, indem sie die Verantwortung bei anderen abladen."

Für Unverständnis sorgten zudem Vorschläge aus Tschechien, Korridore für Flüchtlinge nach Westeuropa zu schaffen. Geradezu flehentlich mahnte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini nach dem Ende des zweitägigen Treffens, dass bei der Flüchtlingsfrage die Zukunft Europas auf dem Spiel stehe. Ihre Forderung nach europäischer Solidarität scheint in Luxemburg aber ungehört geblieben zu sein, denn noch immer wehren sich eine Reihe von EU-Staaten gegen den Vorschlag einer Quote zur Verteilung von Flüchtlingen. "Ich muss gestehen, dass die heutige Diskussion schwierig war", sagte Mogherini ungewöhnlich offen.

Hinter verschlossenen Türen drehten sich deshalb die Diskussionen zwischen den Vertretern der 28 EU-Staaten nach Angaben von Diplomaten im Kreis. Forderungen von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier und anderen nach einem EU-Sondergipfel seien von Mogherini zurückhaltend aufgenommen worden. In den Chefetagen der EU-Institutionen ist noch gut die Erinnerung an den EU-Gipfel im Juni wach, auf dem die Staats- und Regierungschefs beim Thema Flüchtlinge heftig aneinander gerieten und sich auf keinen gemeinsamen Nenner einigen konnten.

Am Mittwoch will EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vor dem EU-Parlament in Straßburg neue Vorschläge zur Lösung der Flüchtlingskrise vorlegen. Beim Treffen der EU-Außenminister in seinem Heimatland überwog indes die Skepsis, dass Junckers Pläne einer Verteilung von noch mehr Flüchtlingen - EU-Vertreter sprachen von 160.000 - Erfolg haben wird. Zumindest Steinmeier ließ vorsichtigen Optimismus erkennen: Bei einigen EU-Staaten scheine die Bereitschaft zu wachsen, sich an der europäischen Verantwortung zu beteiligen, sagte er. In welcher Form dies geschehen könnte, blieb offen. Angedacht ist Medienberichten zufolge aber ein EU-Fonds, in den diejenigen Staaten einzahlen, die nicht am Verteilungssystem teilnehmen wollen. Es wäre nicht das erste Mal, dass Probleme in der EU finanziell gelöst werden.

Liste "sicherer Herkunftsländer"

Unterdessen will die EU-Kommission einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" zufolge am Mittwoch erstmals eine Liste mit sicheren Herkunftsländern vorlegen. Darauf stehe neben den Staaten des westlichen Balkans auch die Türkei, berichtete die Zeitung vorab. Die Liste solle für alle EU-Mitgliedstaaten verbindlich sein und nach und nach erweitert werden. Ebenfalls auf die Liste kommen könnten später beispielsweise Länder wie Bangladesch, Pakistan und der Senegal.

In Deutschland sind derzeit von den Staaten des westlichen Balkans bisher Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als sichere Herkunftsländer eingestuft. Für das Kosovo, Albanien und Montenegro wird dies diskutiert. Mit der Einstufung als sicheres Herkunftsland sollen Asylverfahren vereinfacht werden und Menschen im Fall einer Ablehnung schneller in ihre Heimat zurückgeschickt werden. Derzeit werden nur sehr wenige Asylbegehren von Menschen aus den westlichen Balkanstaaten anerkannt. Deren Zahl war zuletzt allerdings ohnehin rückläufig.

Laut "F.A.S" waren nach Angaben der EU-Kommission im vergangenen Jahr nur 0,9 Prozent der Asylanträge aus Mazedonien und nur 7,4 Prozent der Anträge aus Albanien erfolgreich. Höher war demnach die Erfolgsquote türkischer Asylbewerber, sie lag 2014 EU-weit bei 23,1 Prozent.

(REU)
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