Wahlkampf Martin Schulz startet Europa-Tournee in Frankreich

Paris · Ein Zirkus als Arena für den Europawahlkampf: Im "Cirque d'Hiver" im Pariser Osten sind die europäischen Sozialisten und Sozialdemokraten mit ihrem deutschen Spitzenkandidaten Martin Schulz in die heiße Phase ihres Europawahlkampfs gestartet.

 Im "Cirque d'Hiver" im Pariser Osten startete Martin Schulz in die heiße Phase des Europawahlkampfs.

Im "Cirque d'Hiver" im Pariser Osten startete Martin Schulz in die heiße Phase des Europawahlkampfs.

Foto: dpa, yv cs

Allein der Ort sei schon ein gutes Omen, gab sich der gebürtige Rheinländer überzeugt. Dort, wo normalerweise Artisten der Zirkus-Familie Bouglione auftreten, hatte sich bereits 2012 die europäische Linke versammelt, um dem damaligen französischen Präsidentschaftskandidaten François Hollande zum Sieg zu verhelfen - mit Erfolg.

Er sei "sicher", dass die Bühne des Winterzirkus‘ abermals "Glück bringen" werde, sagte Schulz zum Auftakt seiner Wahlkampfrede in perfektem Französisch. Der derzeitige Präsident des Europäischen Parlaments setzt darauf, die Europawahl Ende Mai zu gewinnen und anschließend zum Nachfolger von José Manuel Barroso an die Spitze der EU-Kommission gewählt zu werden. Es ist das erste Mal in der Geschichte der EU, dass die europäischen Parteienfamilien Spitzenkandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten aufgestellt haben. Der 58-jährige Schulz tritt dabei gegen den luxemburgischen Christdemokraten und ehemaligen Premierminister Jean-Claude Juncker (59) an, der die konservativen Parteien Europas anführt.

Es sei eine "historische Wahl", sagte Schulz, erstmals werde der Kommissionspräsident nicht mehr "hinter verschlossenen Türen designiert", sondern "von den europäischen Völkern", über das Parlament, gewählt. Er wolle Europa die Demokratie zurückgeben, erklärte er und sprach sich für "ein demokratischeres, solidarischeres und transparenteres Europa" aus — eines, "das das individuelle Schicksal der Bürger ins Zentrum rückt". "Wir brauchen ein "anderes" und "besseres" Europa, forderte Schulz. Dem Kontinent gehe es heute nicht gut. Die Arbeitslosigkeit, vor allem unter den Jugendlichen, sei zu hoch, die Finanzierung der Wirtschaft problematisch.

Vor mehr als 1500 Fahnenschwingenden Anhängern aus mehreren Staaten plädierte der deutsche Politiker für mehr Wachstum und gegen eine einseitige Sparpolitik. Europa habe sich einen Stabilitäts- und Wachstumspakt gegeben, geredet werde indes nur über den ersten Teil, kritisierte Schulz. Es könnten nicht nur Ausgaben reduziert, es müsse auch in die Zukunft investiert werden. Stabilität habe eine Voraussetzung - dass es Wachstum und Arbeitsplätze gebe. Mit Blick auf die hohe Jugendarbeitslosigkeit sagte der zweifache Familienvater, es müsse alles getan werden, damit die Jugend "keine verlorene Generation werde, sondern eine Generation der Hoffnung".

Als Präsident der Kommission werde er dem Kampf gegen Sozialdumping Priorität einräumen und sich für einen Mindestlohn in allen Mitgliedstaaten einsetzen, versprach Schulz. Auch für mehr Steuergerechtigkeit will er sich einsetzen und gegen Steuerflucht innerhalb und außerhalb Europas vorgehen. Europa dürfe nicht mehr Synonym für "weniger" sein, wie weniger Arbeit und weniger Kaufkraft, Europa müsse vielmehr für "mehr und besser" stehen. Aufgabe der Sozialisten sei es zudem, gegen Nationalismus und Populismus in Europa vorzugehen.

In zahlreichen Mitgliedstaaten wächst derzeit die Ablehnung der Europäischen Union — auch in Frankreich macht sich Euroskeptizismus breit. Dort könnte die rechtspopulistische Nationale Front (FN), die gegen den Euro und die EU-Institutionen wettert, bei der Europawahl stärkste oder zweitstärkste Kraft werden. Schulz warnte vor diesen Tendenzen: Die "Dämonen des 20. Jahrhunderts" - Rassismus, Hass, Antisemitismus - seien zwar gebannt, aber nicht verschwunden, sagte er. "Sobald wir die EU-Institutionen zerstören, kommen die Dämonen zurück — das ist sicher."

(jco)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort