Satiriker im EU-Parlament Sonneborn drückt abwechselnd "Ja" und "Nein"

Straßburg · Deutschlands Chef-Satiriker und EU-Abgeordneter Martin Sonneborn bleibt seinem Motto treu und nimmt sowohl EU-Parlament als auch Abgeordnete aufs Korn.

 Martin Sonneborn - der Chefsatiriker im EU-Parlament.

Martin Sonneborn - der Chefsatiriker im EU-Parlament.

Foto: Jan Schnettler

Martin Sonneborn sitzt auf seinem Platz 781 im Europaparlament - rechts von sich die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch, auf der linken Seite der polnische Rechtsextreme Januzs Korwin-Mikke, der kürzlich im Plenum mit einem Hitler-Gruß für einen Eklat sorgte. Der Komiker drückt unverdrossen auf die Abstimmungsknöpfe - immer abwechselnd auf Ja und Nein.

Das habe er seinen Wählern versprochen, erklärt der Niedersachse sein Abstimmungsverhalten. Schließlich habe er mit dem Slogan "Ja zu Europa, Nein zu Europa" um Stimmen geworben. "Ich halte mein Wahlversprechen ein", sagt der 50-Jährige, ohne eine Miene zu verziehen, der Nachrichtenagentur AFP. Seit vor einem Jahr rund 185.000 Wähler - dies waren rund 0,6 Prozent der gültigen Stimmen in Deutschland - Die Partei wählten, ist Sonneborn Europaabgeordneter.

Aufgefallen ist er im Parlament seither kaum: Laut Website der EU-Volksvertretung gab er bislang zwei Erklärungen ab. So reagierte er auf heftige Reaktionen von Türken über eine Entschließung zum Völkermord an den Armeniern. "Natürlich war es Völkermord. Ich bin Deutscher, ich kenne mich mit sowas aus". In einer Wortmeldung zu den Folterpraktiken der CIA schlug Sonneborn "Musikfolter" vor, "zum Beispiel mit Helene-Fischer-Songs".

Viele etablierte Europaparlamentarier haben wenig Sinn für diese Art von Humor. "Sonneborn nutzt das Parlament für medienwirksame Auftritte, sonst tut er nichts", schimpft etwa der CDU-Abgeordnete Herbert Reul, der wie der Komiker Mitglied der "Delegation für die Beziehungen zur koreanischen Halbinsel" ist. In dieser Delegation habe er Sonneborn bislang nicht bemerkt.

Den Spaßvogel ficht diese Kritik nicht an. Der ehemalige Chefredakteur des Satiremagazins "Titanic" macht keinen Hehl daraus, dass er das vom europäischen Steuerzahler finanzierte Mandat für seine Späße nutzt. In einem Satirevideo, das ein Team von Spiegel TV gedreht hat, nimmt er etwa das monatliche Pendeln von gut 3000 Abgeordneten, Assistenten, Dolmetschern und Parlamentsbeamten zwischen Brüssel und Straßburg aufs Korn.

Sonneborn plaudert aus dem Nähkästchen

Außerdem plaudert Sonneborn in einem regelmäßigen "Bericht aus Brüssel" für "Titanic" aus den Brüsseler Kulissen. Etwa von Abendessen in Nobelrestaurant, die Lobbyisten Abgeordneten spendieren. Oder wie er etwa vom britischen Europagegner Nigel Farage eingeladen wurde, dessen Fraktion "Europa der Freiheit und der direkten Demokratie" (EFDD) beizutreten.

Farage habe dringend Ersatz für eine abgesprungene Lettin gebraucht, damit seine Gruppe den Fraktionsstatus behält - und damit zusätzliche Gelder in Millionenhöhe für Personal, gibt Sonneborn an. Er habe unter der Bedingung zugesagt, dass die Fraktion in "Sonneborns EFDD" umbenannt wird - und nie eine Antwort erhalten.

Als erstes habe er gelernt, sich immer in Anwesenheitslisten einzutragen, berichtete Sonneborn den "Titanic"-Lesern. Das sei eine der wichtigsten Aufgaben der Europarlamentarier - denn nur wer sich eintrage, bekomme das Tagegeld von 306 Euro. Dass er als Europaabgeordneter monatlich mit über 8000 Euro Gehalt, gut 21.000 Euro für sein Büro und diverser Pauschalen über mehr als 30.000 Euro verfüge, sei am Anfang schon merkwürdig gewesen.

"Aber man gewöhnt sich daran", sagt er AFP. Er bezahle seine Mitarbeiter und Praktikanten gut und lade zu europapolitischen Veranstaltungen ein - "mit Bier zu symbolischen Preisen". Das Geld sei also gut angelegt. Auf die Idee, jeden Monat ein anderes Mitglied der Spaßpartei ins Parlament zu schicken, verzichtete Sonneborn. Dies sei mit der Geschäftsordnung nicht zu vereinbaren gewesen.

Eine Sprecherin des Parlaments präzisiert: Rotation im Monatsrhythmus sei tatsächlich nicht möglich, "dafür laufen die Mühlen im Parlament zu langsam". Aber kein Abgeordneter werde daran gehindert, sein Mandat niederzulegen. Wer allerdings weniger als zwei Jahre bleibe, verliere die Entschädigung von sechs Monatsgehältern, die den EU-Volksvertretern bei einem Ausscheiden zustehe.

(AFP)
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