Europa erneut vor einer Schicksalswoche Merkel in der Euro-Zange

Düsseldorf · Es ist ein Drama auf Wiedervorlage: Europa steuert auf den nächsten Krisengipfel zu. An diesem Montag treffen sich vorab Merkel und Sarkozy. Die Märkte erhoffen den Befreiungsschlag. Doch der Spielraum ist denkbar eng. Vor allem für Merkel. Sie wird wohl Zugeständnisse machen – und sich damit Krach in der Heimat einhandeln.

Fakten zur Euro-Wirtschaftsregierung
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Es ist ein Drama auf Wiedervorlage: Europa steuert auf den nächsten Krisengipfel zu. An diesem Montag treffen sich vorab Merkel und Sarkozy. Die Märkte erhoffen den Befreiungsschlag. Doch der Spielraum ist denkbar eng. Vor allem für Merkel. Sie wird wohl Zugeständnisse machen — und sich damit Krach in der Heimat einhandeln.

Am Donnerstag schlägt wieder einmal Tag X in Europa. Dann kommen die Staatschefs zum EU-Gipfel zusammen. Abgrund, Schicksal, Zerfall - das Krisen-Vokabular klingt seltsam vertraut. Doch selbst wenn sich ein Gewöhnungseffekt einstellt — die Schuldenkrise ist prekärer denn je. Seitdem die Finanzmärkte auch Kerneuropa ins Visier genommen haben, geht es an die Existenz. Denn lange lassen sich die Staatshaushalte mit den horrenden Zinskosten nicht mehr finanzieren.

An diesem Montag wollen Angela Merkel und Nicolas Sarkozy erste Pflöcke für den Gipfel einschlagen. Nach einem gemeinsamen Mittagessen werden die beiden ihre Ideen der Öffentlichkeit vorstellen.

An zwei Fronten unter Druck

So sehr auch einige Länder mit der Führungsrolle von "Merkozy" hadern - einigen sich die beiden größten Euro-Volkswirtschaften auf ein gemeinsames Vorgehen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die 27 Regierungen am Donnerstag wichtige Beschlüsse treffen. Einigen sie sich nicht, dürfte dies die ohnehin schon große Angst der Anleger noch verstärken.

Merkel weiß, dass eine Einigung unumgänglich ist. Doch ihr Spielraum ist eng. Von mehreren Seiten wird sie zunehmend kritisch beäugt. Auf der einen Seite von den europäischen Partnern, die mehr Solidarität fordern. Auf der anderen Seite von den Partnern in der eigenen Koalition, die die Kanzlerin ultimativ auffordern hart zu bleiben.

Die deutschen Partner fordern Härte

Führende Politiker von CDU, CSU und FDP betonten am Wochenende noch einmal ihre harte Ablehnung gegenüber der Einführung von Euro-Bonds und einem noch größeren Engagement der Europäischen Zentralbank (EZB) als Krisenfeuerwehr.

CSU-Chef Horst legte am Montag noch einmal in der "Süddeutschen Zeitung" nach und appellierte an Merkel, nicht von der deutschen Position abzuweichen. "Angela Merkel fährt mit den richtigen Konzepten zum EU-Gipfel: keine Euro-Bonds, keine Transferunion, Erhalt der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank", so Seehofer.

Und schickte sogleich eine Drohung hinterher: Sollte Merkel auf dem EU-Gipfel zu Kompromissen gezwungen sein, erwägt Seehofer, einen Sonderparteitag der CSU einzuberufen. Dann wird auch die Koalitionsfrage zu erörtern sein.

Merkel steht deshalb vor einer der schwierigsten Wochen in ihrer Amtszeit. Sie muss einen sehr schmalen Grad gehen ohne zur ein oder anderen Seite abzustürzen. Innenpolitisch verlangt ihre Koalition Härte, während viele EU-Partner endlich den deutschen Widerstand gegen die Vergemeinschaftung von Schulden in der Euro-Zone knacken wollen.

Wie Merkel den Euro retten will

Merkel setzt in dieser Situation auf die Idee einer "Solidarität unter Auflagen". Sie will mit Paris die Euro-Zone zur Stabilitätsunion ausbauen und dafür beim Gipfel Vertragsänderungen auf den Weg bringen. Doch um dies durchzusetzen zu können, wird sie auch etwas geben müssen. Der Deal könnte lauten: Mehr Stabilität gegen eine stärkere Rolle der Europäischen Zentralbank bei der Stützung der Krisenstaaten. Denn zur Lösung der Krise etwa in Italien kommen Vertragsänderungen zu spät.

Die Kanzlerin will mit dem Schritt hin zu einem Europa, das ein Durchgriffsrecht auf nationale Haushalte hat, den Geburtsfehler des Euro ausmerzen. Seine "Väter" schufen die Einheitswährung ohne gemeinsame Finanz-, Haushalts- und Wirtschaftspolitik der Euro-Länder, was die Schuldenkrise mitverursacht hat. Dies soll sich nun ändern. "Wir reden nicht mehr nur über eine Fiskalunion, wir fangen an, sie zu schaffen", sagt Merkel inzwischen. Nun sollen alle Euro-Länder Schuldenbremsen nach deutschem Vorbild einführen.

Spaltung der EU im Bereich des Möglichen

Die Euro-Stabilitätsregeln sollen strenger überwacht und durchgesetzt werden. Denn fast alle Staaten missachten sie und keiner musste bisher Strafe zahlen. Sanktionen gegen Schuldensünder sollen automatisch greifen, damit kein politischer Spielraum bleibt, sie abzuwenden — wie bisher. Außerdem sollen notorische Defizitstaaten vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt werden können. Mehr Details zur Fiskalunion wollen Merkel und Präsident Sarkozy an diesem Montag erläutern.

Merkel macht dabei einen entschlossenen Eindruck. Sie will vorangehen, auch wenn nicht alle 27 EU-Länder mitmachen. In diesem Fall soll die Fiskalunion halt über einen Vertrag nur unter den Euro-Ländern geschaffen werden. Das hätte sogar Vorteile: Die neuen Spielregeln könnten schneller umgesetzt werden. Aber sie müssten voraussichtlich schwächer ausfallen. Denn Gemeinschafts-Institutionen wie die EU-Kommission oder der Europäische Gerichtshof könnten nur schwer für den 17er-Kreis allein genutzt werden. Außerdem käme der Alleingang der Euro-Staaten einer Spaltung Europas gleich, was Berlin vermeiden will.

Zwischen Berlin und Paris gibt es noch Differenzen

Beim heutigen Treffen in Paris wird es freilich noch Unstimmigkeiten geben. Zwar werben Deutschland und Frankreich gemeinsam für die Fiskalunion. Doch gibt es Differenzen im Detail. Merkel will eine Stärkung der EU-Institutionen zur verschärften Stabilitätskontrolle, Sarkozy befürwortet eher die unverbindlichere Zusammenarbeit der Euro-Regierungen. Uneins sind Berlin und Paris auch über die Rolle der Europäischen Zentralbank: Für Frankreich ist die EZB die wirksamste "Waffe" gegen die Krise, weil sie als Notenbank unbegrenzt liquide ist. Sie könnte massiver als bisher südeuropäische Staatsanleihen aufkaufen. Deutschland wehrt sich bisher gegen unbegrenzte Aufkäufe, weil sie gegen das Staatsfinanzierungsverbot der EZB verstoßen und die Inflation anheizen.

Denkbar ist, dass Deutschland eine begrenzte Ausweitung der Aufkäufe unter strengen Auflagen duldet, wenn im Gegenzug eine Vertragsänderung auf den Weg gebracht wird. Das französische Enthüllungsblatt "Le Canard Enchainé" zitiert Sarkozy dazu ziemlich klar: "Das Tauschgeschäft ist eher einfach. Das Ende des EZB-Dogmas gegen absolute Einhaltung der Haushaltsdisziplin."

Die Zeit läuft ab

Einig scheinen sich die EU-Regierungen nur in einer Sache zu sein: Die Euro-braucht Zone nach all den ausgestreuten Zweifeln an Reformfreudigkeit und Hilfsbereitschaft eine überzeugende Botschaft. Denn ab Januar müssen Staaten wie Italien oder Frankreich riesige Milliardensummen an den Finanzmärkten aufnehmen.

Bleiben die Zinsen auf dem derzeit hohen Niveau, wird dies den Erholungskurs dieser Länder wegen der fälligen hohen Zinsbelastung erheblich erschweren. Weil Deutschlands Refinanzierung viel billiger ist, verstärken sich zudem die Ungleichgewichte und Spannungen in der Euro-Zone.

(pst)
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