Afghanistan Nato sucht Geldgeber für Sicherheitskräfte

Brüssel · Jeder dritte afghanische Polizist und Soldat muss nach dem Abzug der Nato-Kampftruppen 2014 entlassen werden, weil er nicht mehr bezahlt werden kann. Dieses Problem hat Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen bestätigt. Hintergrund ist, dass die Nato-Mitgliedstaaten für die Kosten der afghanischen Sicherheitskräfte aufkommen müssen. Die Regierung in Kabul kann ihre Truppen nicht finanzieren.

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Beabsichtigt ist deshalb, die bis Ende 2014 mit großen Aufwand auf 350.000 Mann aufgestockten Sicherheitskräfte schnell wieder um rund 120.000 zu reduzieren. Für diese Sicherheitskräfte werden 4,1 Milliarden US-Dollar (3,1 Milliarden Euro) jährlich benötigt. Zusagen gibt es bislang allerdings nur in Höhe von 2,3 Milliarden Dollar; allein 1,8 Milliarden wollen die USA beisteuern. Auf dem Nato-Gipfel in Chicago am 21. und 22. Mai wird dieses Thema daher vermutlich breiten Raum einnehmen.

"Die Reduzierung geschieht nicht über Nacht"

Der dänische Ex-Regierungschef betonte, dass es noch keine verbindlichen Beschlüsse zum Abbau der afghanischen Armee und Polizei gebe. Allen Beteiligten sei klar, dass diese ausgebildeten Männer nicht den Taliban die Arme getrieben werden dürften. Der Nato-Spitzenpolitiker versicherte deshalb: "Die Reduzierung geschieht nicht über Nacht. Es ist ein Prozess, der maßgeblich von zwei Faktoren beeinflusst wird: die bis dahin erreichte Qualität der Streitkräfte und die Sicherheitslage."

Parallel werde an Wiedereingliederungsprogrammen in das zivile Leben gearbeitet. "Auch lernen die Soldaten und Polizisten lesen und schreiben, was ebenfalls einen wichtigen Beitrag für die afghanische Gesellschaft darstellt."

Wie in der Nato die Lasten des Afghanistan-Einsatzes nach 2014 verteilt werden, werde voraussichtlich in Chicago festgelegt, sagte Rasmussen. "Das wird jeweils eine nationale Entscheidung sein." Auch auf eine Beteiligung von China und Russland hoffe die westliche Verteidigungsallianz. "Beide haben strategische Interessen daran, dass die Fehler der Vergangenheit in Afghanistan nicht wiederholt werden."

Rasmussen machte deutlich, dass die Übergabe der Sicherheitsveratwortung bis Ende 2014 keinen Nato-Rückzug aus Afghanistan bedeutet. Dies werde in der Öffentlichkeit oft missverstanden. "Danach haben wir einen Ausbildungs- und Unterstützungseinsatz durchzuführen Dabei ist auch die Frage zu klären, wie wir unsere Ausbilder schützen müssen." Wie viele Soldaten, Hubschrauber und Kampfflugzeuge die Nato dafür noch stellen müsse, werde von den Militärs bis zum Gipfeltreffen ermittelt.

Vom Bürocontainer bis zur Panzerhaubitz

Der Abzug der Kampftruppen sei eine logistische Herausforderung, bestätigte der dänische Politiker. Nach anderen Quellen müsste umgerechnet drei Jahre lang alle sieben Minuten ein Lastwagen starten, um das Material der Schutztruppe Isaf vom Bürocontainer bis zur Panzerhaubitze außer Landes zu schaffen. "Ohne gesicherte Transitrouten geht es nicht. Wir verhandeln zurzeit mit mehreren zentralasiatischen Regierungen."

Da Pakistan die Grenze für die Nato geschlossen hat, führt der Landweg der Rücktransporte durch das deutsche Verantwortungsgebiet im Norden Afghanistans. Ob das den Abzug der Bundeswehr verzögert, weil diese Routen geschützt werden müssen, ist nicht bekannt. Experten gehen davon aus, dass ohnehin etwa 2000 von den gegenwärtig 5500 deutschen Soldaten über 2014 hinaus in Afghanistan bleiben müssen.

Verärgert ist Rasmussen über "die Fehlinterpretation öffentlicher Debatten", wenn es um den vorzeitigen Truppenabzug einzelner Länder geht. So sei jüngst der Eindruck entstanden, die Australier zögen sich früher zurück. "Richtig ist, dass sie umgliedern, weil sie die Provinz Urusgan in die Sicherheitsverantwortung der Afghanen übergeben können. Australien bleibt über 2014 hinaus im Land bleiben." Bei seinem Amtsantritt in Brüssel im August 2009 seien 42 Nationen in Afghanistan vertreten gewesen, sagte der Nato-Generalsekretär. "Heute sind es 50 — die größte Koalition, die die Welt je gesehen hat. Und alle Alliierten stehen zu ihrer Zusage: Gemeinsam rein, gemeinsam raus."

(sgo/das/csi)
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