Bundestag billigt Ausweitung der Hilfen Ökonomen sehen neue Finanzierungslücken

Berlin · Das Parlament billigt mit breiter Mehrheit die Ausweitung der Hilfen. Doch aus Expertensicht werden sie nicht reichen.

November 2012: Wie es mit Griechenland weitergeht
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Foto: dpa, Alkis Kontantinidis

Am Ende waren es 473 der 620 Bundestagsabgeordneten, die trotz großen Unbehagens der Ausweitung des Rettungspakets für Griechenland zustimmten. 100 Parlamentarier, davon die meisten von der Linken, votierten gestern mit Nein, elf enthielten sich — und 36 Mandatsträger blieben der Abstimmung lieber gleich ganz fern.

Glücklich waren sie alle nicht mit der Entscheidung. Wieder mussten sie die Staatspleite des Euro-Mitglieds Griechenland in allerletzter Minute verhindern — und wieder musste der Bundestag hochriskanten Finanzmanövern zustimmen, um Griechenland über Wasser zu halten und damit die Euro-Zone vor Ansteckungsgefahren zu schützen.

Die Bundesregierung verfolge bei der Griechenland-Rettung "eine Politik, die mit möglichst geringen Kosten für Deutschland" verbunden sei, rechtfertigte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die erst zu Wochenbeginn gefassten Beschlüsse. Er verglich den Umbau Griechenlands mit dem Transformationsprozess der osteuropäischen Staaten nach der Wende.

"In Wahrheit erleben wir das Wegbrechen eines zuvor nur auf dem Papier existierenden Bruttoinlandsprodukts", sagte Schäuble. Griechenland habe in einem vom Ausland finanzierten "Schein-Wohlstand" gelebt. Was dort in Jahrzehnten unterlassen worden sei, könne nun nicht innerhalb von zwei Jahren korrigiert werden. "Der Weg ist noch lang."

Oppositionsführer Frank-Walter Steinmeier (SPD) wurde deutlicher: Auch mit der Ausweitung des Rettungspakets werde Griechenland nicht gerettet sein, die Bundesregierung kaufe nur Zeit, um nicht schon vor der Bundestagswahl 2013 einem Schuldenerlass zustimmen zu müssen. "Sie wissen, dass das alles auf einen Schuldenschnitt hinausläuft, aber Sie scheuen diese Wahrheit wie der Teufel das Weihwasser", hielt Steinmeier der Regierung vor.

Steinmeier und Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin kritisierten die Bundesregierung, rechtfertigten zugleich aber die Zustimmung ihrer Fraktionen zu den neuen Hilfen. "Es ist richtig, den Griechen mehr Zeit zu geben. Und diese Zeit kostet nun mal Geld", sagte Trittin.

Der Bundestag billigte weitere Hilfskredite an Griechenland in Höhe von 43,7 Milliarden Euro. Im Paket vorgesehen sind zudem Zinserleichterungen, längere Kreditlaufzeiten und ein Schuldenrückkaufprogramm als Herzstück. Athen soll demnach kurzfristig zehn Milliarden Euro aus dem Euro-Rettungsfonds EFSF erhalten, um damit bei privaten Gläubigern griechische Anleihen zum Drittel ihres Nennwerts zurückzukaufen. Zwei Vertreter der Euro-Zone erklärten gestern, Athen könne Anleihen im Wert von bis zu 40 Milliarden Euro zurückkaufen. Die Transaktion will Athen mit Hilfe der Deutschen Bank bis zum 13. Dezember abwickeln.

Die Zinssenkung führt im Bundeshaushalt zu Mindereinnahmen von jährlich 130 Millionen Euro. Schäuble verzichtet zudem 2013 auf 600 Millionen Euro Bundesbankgewinn, der daraus resultiert, dass die Europäische Zentralbank (EZB) griechische Anleihen deutlich unter dem Nennwert aufgekauft hatte. Erstmals wird also der Etat 2013 direkt mit 730 Millionen Euro belastet.

Aus Expertensicht droht aber schon kurzfristig ein neues Finanzloch, da das Schuldenrückkaufprogramm nur zum Teil gelingen dürfte und Athens Schuldenstand infolgedessen nicht wie geplant sinkt. "Der Schuldenrückkauf könnte nur zur Hälfte klappen, dann entstünde eine neue Lücke von 15 Milliarden Euro, von denen drei Milliarden auf Deutschland entfielen", sagte der Wuppertaler Ökonom Paul Welfens.

Der Duisburger Experte Ansgar Belke rechnete mit einem dritten Rettungsprogramm 2014. "Spätestens 2014 ist das nächste Hilfspaket erforderlich oder es kommt zum Schuldenschnitt", sagte Belke. Schlimmstenfalls werde Athens Rettung die Bundesrepublik insgesamt 90 bis 100 Milliarden Euro kosten.

(mar)
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