Westbalkan-Konferenz in Wien "Wir wollen eine Kettenreaktion der Vernunft"

Wien · Die Staaten an der Balkanroute wollen den Flüchtlingsstrom durch nationale Maßnahmen stoppen. Das Durchwinken müsse ein Ende haben. Österreich übte erneut Kritik an Deutschland: Die Bundesregierung habe ein fatales Signal ausgesandt.

 Österreichs Minister Sebastian Kurz und Johanna Mikl-Leitner sehen sich zu nationalen Schritten gezwungen.

Österreichs Minister Sebastian Kurz und Johanna Mikl-Leitner sehen sich zu nationalen Schritten gezwungen.

Foto: dpa, cb ase

Die Staaten entlang der Balkanroute wollen mit enger Kooperation und nationalen Maßnahmen die Zahl der durchreisenden Flüchtlinge senken. Die zehn Länder der Westbalkan-Konferenz einigten sich auf Initiative Österreichs am Mittwoch in Wien unter anderem auf die wechselseitige Entsendung von Polizisten in besonders betroffene Grenzgebiete. Außerdem sollen die Kriterien für die Zurückweisung von Flüchtlingen und deren Registrierung vereinheitlicht werden.

"Die Masse der Flüchtlinge sind Wirtschaftsflüchtlinge", sagte die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (beide ÖVP) unterstrich, dass ein schnelles "Durchwinken" ein Ende haben müsse. "Wir wollen eine Kettenreaktion der Vernunft", sagte die Ministerin.

Dies sei nötig, "denn die Flüchtlingsfrage kann zu einer Überlebensfrage der EU werden", sagte Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner nach dem Treffen mit ihren Amtskollegen. Europa stehe vor der "größten Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg".

Zwar wäre eine gesamteuropäische Lösung der Königsweg, aber mangels Aussicht darauf könnten nur nationale Maßnahmen helfen, so Kurz. "Es braucht auch den Stopp der Flüchtlinge in Griechenland, auf einer griechischen Insel, auf einem Hotspot (...) und nicht den schnellstmöglichen Weitertransport nach Europa", sprach sich der Minister für hohe Hürden an der EU-Außengrenze aus.

Das Maßnahmenbündel soll beim Treffen der EU-Innenminister am Donnerstag vorgestellt werden. Demnach wollen die Länder nur noch schutzbedürftige Personen aufnehmen. Menschen mit gefälschten Dokumenten sollen strikt abgewiesen werden. Zudem sollen Mindeststandards zur Registrierung der Flüchtlinge eingeführt werden, damit die Personendaten nicht in jedem Land einzeln aufgenommen werden müssen. Zudem sei beschlossen worden, Mazedonien künftig mit der Entsendung von Polizisten an die Grenze zu unterstützen, sagte Mikl-Leitner.

Indirekt kritisierte Kurz auch erneut die deutsche Willkommenskultur, die die Lage erst so verschärft habe. "Ich halte das für ein fatales Signal der Politiker, die das Signal gesetzt haben". Auch Mikl-Leitner drängte Deutschland zu einem Umdenken. "Deutschland muss sich entscheiden, welche Signale Deutschland senden will."

Einen Tag vor dem EU-Innenministerrat in Brüssel wollten die Innen- und Außenminister unter anderem von Slowenien, Kroatien, Albanien, Bosnien, Serbien und Mazedonien mit ihrem gemeinsamen Auftritt auch gegenüber Brüssel ein politisches Zeichen setzen. Die EU und Athen hatten das Wiener Treffen im Vorfeld kritisiert. Griechenland hatte von einem "einseitigen und absolut nicht freundlichen Akt" gesprochen, da es selber gar nicht eingeladen worden sei. Kurz seinerseits erklärte am Mittwoch, Athen sei in ähnlichen Runden überhaupt nicht am Schutz der EU-Außengrenze, sondern nur am schnellen Transport der Flüchtlinge interessiert gewesen.

(pst/dpa/REU)
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