Draghi verspricht unbegrenzte Anleihekäufe Ohne Limit: EZB hilft Schulden-Sündern

Berlin/Mainz · Die Europäische Zentralbank will schwächelnden Euro-Staaten mit unbegrenzten Anleihekäufen helfen. Die Länder müssen sich jedoch vom Rettungsfonds kontrollieren lassen. Nur ein Ratsmitglied stimmte gegen das riesige Kaufprogramm: Bundesbankpräsident Weidmann. Auch die Bundesregierung ist skeptisch.

Das ist Mario Draghi
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Foto: dpa, bjw

Am Nachmittag hat die Europäische Zentralbank (EZB) verkündet, dass sie erneut Staatsanleihen von Krisenländern der Eurozone aufkaufen will. Die EZB werde Anleihen in unbegrenztem Volumen und mit einer Laufzeit von "zwischen einem und drei Jahren" aufkaufen, sagte EZB-Präsident Mario Draghi.

Merkel reagiert zurückhaltend

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat zurückhaltend auf den Beschluss reagiert. Solche Maßnahmen könnten politische Aktivitäten in der Währungsunion "nicht ersetzen", sagte sie am Donnerstag nach einem Gespräch mit dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy in Madrid. Die EZB handle ansonsten im Rahmen ihrer Unabhängigkeit und ihres Auftrags. Kritik kam von FDP-Chef Philipp Rösler. Die Bondgeschäfte könnten "niemals eine dauerhafte Lösung sein", so der Vizekanzler.

Auch CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt reagierte besorgt: "Ich bleibe bei meiner Warnung, dass eine Staatsfinanzierung durch die Notenpresse falsch und brandgefährlich ist." Er könne Draghi nur dringend auffordern, "nicht die Schleusen für flächendeckende Ankaufprogramme zu öffnen". Dobrindt mahnte: "Die EZB muss eine Stabilitätsbank sein und darf keine Inflationsbank werden."

Skepsis auch in der FDP-Fraktion

Die FDP-Fraktion im Bundestag äußerte sich in einem Beschluss ebenfalls skeptisch. "Wir wehren uns gegen den Gang in die europäische Inflationsunion. Wir lehnen den Einsatz der Notenpresse für die Staatsfinanzierung ab", heißt es in einem Papier, dass auf der Klausur in Mainz beschlossen wurde. Die Partei trete vielmehr für eine starke und unabhängige Europäische Zentralbank ein, die nur der Geldwertstabilität verpflichtet ist.

SPD-Haushälter Schneider rügte, dass die EZB ohne jegliche Debatte im Deutschen Bundestag oder eine Erklärung gegenüber den Bürgern agiere. Er warf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor, sich einer politischen Lösung der Krise der Eurozone bislang zu verweigern.

"Sie hat dadurch die EZB und die Geldpolitik in die Rolle der einzig verbliebenen handlungsfähigen Institution in der Eurozone gezwungen." Inzwischen habe sie Gefallen an der EZB als "Ersatzregierung" gefunden: "Denn so werden ihr Debatten im Deutschen Bundestag und in ihrer Fraktion erspart, bei der sie für Mehrheiten argumentieren und überzeugen müsste."

Historischer Schritt

DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki forderte, den Rettungsschirm ESM mit einer Banklizenz auszustatten und damit eine nachhaltigere und effektivere Lösung zu schaffen. Nun sei hingegen zu erwarten, dass die Anleger die Gelegenheit nutzen, ihre Staatsanleihen an die EZB abzustoßen und damit ihre Bilanz zu bereinigen. "Ob sie den Staaten jedoch zu vertretbaren Zinsen Geld leihen werden, steht in den Sternen."

Die stellvertretende Vorsitzende der Linken im Bundestag, Sahra Wagenknecht, bilanzierte: "Die Bundeskanzlerin weiß, dass sie im Parlament keine Mehrheit für eine weitere Aufstockung der Euro-Rettungsschirme hat. Deshalb will sie, dass neue Milliardenrisiken für Deutschland notfalls durch Mario Draghi in die Bilanz der Europäischen Zentralbank geschoben werden."

Lagarde begrüßt Pläne

Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, hat die Beschlüsse der EZB "äußerst" begrüßt. Der IWF seinerseits stehe zur Zusammenarbeit im Rahmen eigener Programme bereit, hieß es in einer am Donnerstag veröffentlichten schriftlichen Mitteilung. Eine "entschlossenen Umsetzung" des EZB-Kaufprogrammes werde die Bemühungen der Krisenländer unterstützen, sich zu zumutbaren Kosten Kapital zu sichern, während zugleich dauerhafte makroökonomische Anpassungen vorgenommen würden. "Wir sehen in der EZB-Aktion einen wichtigen Schritt zur Stärkung von Stabilität und Wachstum in der Eurozone", erklärte Lagarde.

Auch EU-Währungskommissar Olli Rehn hat das Programm gelobt. Dieses "sollte dabei helfen, das Investorenvertrauen in die bedrängten Anleihenmärkte zu stärken", erklärte er am Donnerstag. Auch werde es dazu beitragen, dass die Geldpolitik der Zentralbank in allen Ländern ankommt. Die EU stehe bereit, bei der geforderten stärkeren Überwachung der Haushaltspolitik der Nutznießer-Staaten ihre Rolle zu übernehmen, sicherte Rehn zu.

Die Ankündigung von unbegrenzten Anleihenkäufen durch die EZB ist ein historischer Schritt. Erster Kandidat für Unterstützung per Notenpresse aus Frankfurt könnte Spanien sein. Dessen Regierungschef Mariano Rajoy erklärte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Madrid, er könne noch nicht sagen, ob sein Land Hilfe in Anspruch nehmen werde. Er habe die Beschlüsse des EZB-Rats noch nicht abschließend prüfen können.

(REU/dpa/dapd/AFP)
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